Kant: AA XIV, Mathematik , Seite 057

     
           
 

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  01 so kan, nachdem die Wurzel des ersten durch blosses Versuchen gefunden      
  02 worden, die der ganzen Zahl nach einem Gewissen Princip der Multiplikation      
  03 und division der gegebenen beyden Theile gefunden werden.      
  04 Wenn nun aber die Wurzel sich auf diese art nicht in ganzen Zahlen finden      
  05 laßt, so ist sie eine Irrationalzahl, d. i. sie läßt sich auch nicht in Brüchen      
  06 finden, mithin ist sie wirklich keine Zahl, sondern nur eine Großenbestimmung      
  07 durch eine Regel des Zähelns, durch in welcher die Proportion,      
  08 nach welcher die Einheit, nach der ich zähle, immer (g z. B. )      
  09 den Zehnten Theil der vorigen ausmacht, gegeben ist, mithin auch die Reihe,      
  10 deren Summe der Wurzel gleich ist, S. II: ob sie gleich nie ausgezählt      
  11 (g mithin auch nie als ganz gegeben betrachtet ) werden kan, gleichwohl      
  12 aber weil in der Fort durch das Princip, ihr so nahe zu kommen, als man      
  13 selbst will, eine bestimmte die Größe aus des objects bestimmt ausdrükt.      
           
  14 Die Beantwortung der ersten Frage würde also etwa diese seyn.      
  15 Der Verstand denkt kan sich zwischen zwey gleichartigen Größen,      
  16 z. B. 1 und zwey 2, jederzeit eine mittlere Geometrisch‐proportionale      
  17 Größe=√2 denken, auch diese wirklich (g im Object ) geben, z. B. in      
  18 der Diagonale eines Qvadrats; (wogegen, wenn die großen Ungleichartig      
  19 wären, z. b. 1 und -2, die mittlere proportionale = √-2 (g eine )      
  20 schlechthin unmögliche Größe anzeigen würde.) Allein er kan jene mittlere      
  21 Proportionalgröße nicht in einer Zahl geben, und zwar aus einem      
  22 Grunde, der gar nicht das auf dem Vermögen der Einbildungskraft      
  23 als (g einem ) gleichsam durch den Verstand (g auf eigene Art ) zur Vorstellung      
  24 des Irrationalen (g auf eigene Art ) Organsirten (g Vermögen )      
  25 beruhet, sondern auf einer Bedingung, die der Verstand in seinem (g Zahl )      
  26 Begrif legt, nämlich daß das angenommene Qvadrat kein Qvadrat einer      
  27 ganzen Zahl, folglich auch nicht irgend eines vollig anzugebenden Bruchs      
  28 sey, gleichwohl aber doch seine Wurzel in der Reihe der zwischen den zwey      
  29 nachsten ganzen Zahlen moglichen Brüche nach einer gewissen progression      
  30 der Renner liege und mithin nur durch unendliche Annäherung könne      
  31 gegeben werden.*      
     

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