Kant: AA XII, Briefwechsel 1798 , Seite 254

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 dem Publikum nützen wollte, sehr zurückgesetzt worden. Der Genu      
  02 der Wissenschaften, das Lernen und die Mittheilung des Erlernten ist      
  03 indeß immer der angenehmste Genuß meines Lebens gewesen. Auch      
  04 in dieser letzten, traurigsten Periode desselben, ist mir die noch übrige      
  05 Fähigkeit zu Denken und mein Vergnügen daran dasjenige, welches      
  06 mich am meisten unterstützt. Wünschen Sie mit mir, daß ich diesen      
  07 Trost nicht verliere, oder daß der lange gespannte Faden endlich reiße,      
  08 oder einige Erleichterung meiner Uebel mir die Ertragung derselben      
  09 leichter mache.      
           
  10 Bleiben Sie noch lange gesund, und zum Arbeiten aufgelegt: und      
  11 wenn Sie zuweilen an mich zu denken veranlaßt werden, so schenken      
  12 Sie mir einige Thränen des Mitleidens, oder lassen Sie Sich durch      
  13 einige Empfindungen von Freundschaft und Achtung für mich erwärmen.      
  14 Bey mir sind diese Gesinnungen gegen Sie schon alt: sie werden      
  15 auch bis ans Ende meines Lebens unverändert bleiben.      
           
  16 Garve.      
           
           
    819.      
  18 Von Christian Garve.      
           
  19 [Mitte September 1798.]      
           
  20 Theuerster Freund,      
           
  21 Ich habe alles, was sich auf die Schrift, welche ich Ihnen widme,      
  22 und mit diesem Briefe überschicke, bezieht, und das was meine Gesinnungen      
  23 gegen Sie betrifft, in der Zueignungsschrift selbst so vollständig      
  24 gesagt, daß ich hier nichts hinzuzusetzen habe.      
           
  25 Ich werde Sie immer als einen unserer größten Denker, und der      
  26 mich selbst, zur Zeit als ich nur noch Lehrling und Anfänger war,      
  27 als Meister der Kunst zu denken, darin übte, hochachten. Ich bin      
  28 von der andern Seite überzeugt, daß Sie auch von mir, so weit man      
  29 einen Mann bloß aus seinen Schriften kennen lernen kann, nicht ungünstig      
  30 urtheilen, und selbst eine Neigung zur Freundschaft gegen mich      
  31 fühlen.      
           
  32 Diese verborgne und stillschweigende Verbindung, welche schon      
  33 lange unter uns vorhanden ist, gegen das Ende unsers Lebens noch      
  34 fester zu knüpfen: dazu ist diese Zueignung bestimmt. Kann ich auch      
  35 davon keinen großen oder langen Genuß mehr hoffen; so wird doch      
  36 auch dieß mich freuen, wenn ich es noch erlebe, Ihr Urtheil über diese      
           
     

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