Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 219

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Nun, mein verehrungswürdigster Freund, Dank für Ihren letzten      
  02 mir so interessanten und lehrreichen Brief; erfreuen Sie mich, wenn      
  03 es Ihnen Ihre Zeit erlaubt, bald mit einem neuen Schreiben. Verzeihen      
  04 Sie die Länge dieses Briefes und falls ein oder der andere      
  05 Punkt für die Wissenschaft eine Ausbeute aus Ihrem Geiste veranlassen      
  06 könnte, so versagen Sie der auf Ihr Wort horchenden Welt Ihre Belehrung      
  07 nicht. - Das Publikum hofft auf eine Anthropologie von      
  08 Ihnen, wird sie bald erscheinen? - Von der Herausgabe Ihrer kleinen      
  09 Schriften werde ich das Publikum vorläufig benachrichtigen. - Ihre      
  10 hiesigen Freunde grüssen Sie herzlichst; auch mein Weib, die mit den      
  11 kleinen Iungen Ihre Büste so oft betrachtet, wünscht Ihnen alles Gute.      
  12 Gott nehme Sie in seinen Schutz und erhalte Sie noch lange Ihrem      
  13 treuen Freund und Diener      
           
  14 J. H. Tieftrunk.      
           
           
    788.      
  16 Von Friedrich August Hahnrieder.      
           
  17 18. Nov. 1797.      
           
  18 Achtungswürdiger Mann!      
           
  19 Eine Unachtsamkeit in meinem Briefe hat zu dem Mißverständniße,      
  20 als wollte ich die Händearbeit aufgeben, Anlas gegeben, mein      
  21 Vorsaz bleibt, allein ich fand es meiner Überzeugung zuwider, nachdem      
  22 ich mehr und mehr darüber nachdachte, blos als eine Maschine      
  23 in den Händen der Reichen zur Befriedigung ihrer Sinnlichkeit zu      
  24 dienen, ich mußte nun, wenn ich nicht wider meine Überzeugung handeln      
  25 wollte, diese Laufbahn verlaßen und es blieb mir weiter nichts übrig      
  26 als den Akkerbau zu wählen, aller Mühe ohngeachtet war es nicht      
  27 möglich zu diesem Zwekke zu gelangen ich fing an, an einer moralischen      
  28 Weltregierung zu zweifeln, denn nach den Begriffen von derselben      
  29 mußte ich in einen Wirkungskreis versezt werden, der nicht wider meine      
  30 Überzeugung war, und doch war auch nicht die mindeste Aussicht dazu      
  31 da, in diesem Wanken zwischen Glauben und Zweifeln entschlos ich      
  32 mich in Gesellschaft mit einem TischlerGesellen der Meister werden      
  33 wollte eine Werkstätte zu etabliren, allein der damalige Kronprinz zu      
  34 deßen Regiment dieser Mann als Kantonist gehört, gab mir auf mein      
  35 Gesuch um den Abschied für denselben einen Bescheid, der so beschaffen      
           
     

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