Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 026 |
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01 | die das Publicum Ihnen verdankt, darin besteht, daß dieselbe | ||||||
02 | an ihrer Transcendentalphilosophie, die Kunst sich selbst zu verstehen | ||||||
03 | aufgestellt habe. Dieses: sich selbst verstehen, ist in meinen Augen, | ||||||
04 | der oberste Grundsatz aller Philosophie, und ich bin versichert, da | ||||||
05 | nur demjenigen, der dieses wohl vernimmt, Ihre critische Werke aufgeschlossen | ||||||
06 | seyn können. - Möchte die Vorsehung Sie noch lange im | ||||||
07 | Leben erhalten. Erhalten Sie Ihre Gewogenheit gegen mich Ihren | ||||||
08 | Ihnen ergebenen | ||||||
09 | Beck. | ||||||
667. | |||||||
11 | Von Ludwig Heinrich Iakob. | ||||||
12 | Halle den 22 Iun 1795 | ||||||
13 | Ich kann die Gelegenheit, welche sich mir anbietet, an Sie zu | ||||||
14 | schreiben und Ihnen Verehrungswürdiger Mann, meine innigste Verehrung | ||||||
15 | zu bezeugen, unmöglich vorbey gehen lassen. Zugleich habe | ||||||
16 | ich die Ehre, Ihnen hierbey die Stücke der Annalen, so weit sie | ||||||
17 | vollendet sind zu überschicken, und es wird lediglich auf Sie ankommen | ||||||
18 | zu bestimmen, ob Sie die Fortsetzung davon wünschen. In den Recensionen | ||||||
19 | speculativen Inhalts über Reinhold, Fichte, Abicht etc. werden | ||||||
20 | Sie den Hn. M. Beck nicht verkennen. Ich halte mit ihm die Art | ||||||
21 | zu philosophieren, welche diese Männer einführen wollen, für eine | ||||||
22 | völlige Abweichung von der critischen Methode, wovon Sie ein so | ||||||
23 | vollkommenes Beyspiel gegeben haben. Es ist unbegreiflich, wie man | ||||||
24 | nach Erscheinung der Critik noch nach einem Einzigen obersten Grundsatze | ||||||
25 | suchen kann, der nicht bloß die Grenzen der menschlichen Erkenntniß | ||||||
26 | bestimmen, sondern auch so gar über jeden Inhalt kategorisch | ||||||
27 | entscheiden soll. Herr Beck ist sehr begierig zu erfahren, ob Sie mit | ||||||
28 | seinen Bemerkungen zufrieden sind und ob Sie glauben, daß er auf | ||||||
29 | diesem Wege das wahre Verständniß der Philosophie befördern werde, | ||||||
30 | und es würde, uns beiden eine ungemeine Freude machen, wenn Sie | ||||||
31 | uns Ihre Gedanken hierüber in einigen Zeilen wollten wissen lassen. | ||||||
32 | Hr. B. ist jetzt hauptsächlich mit Ausarbeitung des dritten Theils | ||||||
33 | seiner Schrift beschäftiget, worin er darauf ausgehet, nicht etwa der | ||||||
34 | Critik eine Stütze durch einen neuen noch höheren Grundsatz zu verschaffen, | ||||||
35 | sondern nur das wahre Verständniß derselben durch eine ganz | ||||||
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