Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 533 |
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| 01 | Dieser Antrag, in einem, von Ihnen herauszugebenden theologischen | ||||||
| 02 | Iournal, auch Stücke von mir aufzunehmen, wobei ich auf die uneingeschränkteste | ||||||
| 03 | Preßfreiheit rechnen könne, ist mir nicht allein rühmlich, | ||||||
| 04 | sondern kam mir auch erwünscht, weil, ob ich gleich diese Freiheit in | ||||||
| 05 | ihrem ganzen Umfange nicht einmal zu benutzen Sinnes war, doch | ||||||
| 06 | das Ansehen einer unter dem orthodoxen Georg III, mit dem eben so | ||||||
| 07 | rechtgläubigen Friedr. Wilh. II, als befreundeten desselben, stehenden | ||||||
| 08 | Universität, mir, meiner Meinung nach, zum Schilde dienen könnte, die | ||||||
| 09 | Verunglimpfungen der Hyperorthodoxen (welche mit Gefahr verbunden | ||||||
| 10 | sind) unseres Orts zurückzuhalten. | ||||||
| 11 | - Ich habe daher eine in dieser Idee abgefaßte Abhandlung | ||||||
| 12 | unter dem Titel Der Streit der Facultäten" schon seit einiger Zeit | ||||||
| 13 | fertig bei mir liegen, in der Absicht sie Ihnen zuzuschicken. Sie scheint | ||||||
| 14 | mir interessant zu seyn, weil sie nicht allein das Recht des Gelehrtenstandes, | ||||||
| 15 | alle Sachen der Landesreligion vor das Urtheil der theologischen | ||||||
| 16 | Facultät zu ziehen, sondern auch das Interesse des Landesherren, | ||||||
| 17 | dieses zu verstatten, überdem aber auch eine Oppositionsbank | ||||||
| 18 | der philosophischen gegen die erstere einzuräumen ins Licht stellt, | ||||||
| 19 | und nur nach dem Resultat der Idee, der durch beide Facultäten | ||||||
| 20 | instruirten Geistlichen, als Geschäftsmänner der Kirche, sofern sie ein | ||||||
| 21 | Oberconsistorium ausmachen, die Sanctionirung einer Glaubenslehre | ||||||
| 22 | zu einer öffentlichen Religion dem Landesherren zur Pflicht= sowohl | ||||||
| 23 | als Klugheitsregel macht, indessen daß er andere fromme Gesellschaften, | ||||||
| 24 | die nur der Sittlichkeit nicht Abbruch thun, als Secten toleriren | ||||||
| 25 | kann. - Ob nun gleich diese Abhandlung eigentlich bloß publicistisch | ||||||
| 26 | und nicht theologisch ist ( de iure principis circa religionem et ecclesiam ), | ||||||
| 27 | so habe ich doch nöthig gefunden, um diejenige Glaubenslehre, die | ||||||
| 28 | ihrer innern Beschaffenheit wegen nie Landesreligion, sondern nur | ||||||
| 29 | Secte abgeben und von der Landesherrschaft nicht sanctionirt werden | ||||||
| 30 | kann, deutlich zu bezeichnen, Beispiele anzuführen, die vielleicht die | ||||||
| 31 | einzige sind, welche die Unfähigkeit einer Secte Landesreligion zu | ||||||
| 32 | werden, ihrer Ursache sowohl als Beschaffenheit nach, begreiflich machen. | ||||||
| 33 | Hiebei muß ich doch fürchten, daß - nicht bloß um dieser, sondern | ||||||
| 34 | auch anderer Anführungen von Beispielen willen - die jetzt unseres | ||||||
| 35 | Orts in großer Macht stehende Censur Verschiedenes davon auf sich | ||||||
| 36 | deuten und verschreyen möchte und habe daher beschlossen, diese Abhandlung, | ||||||
| 37 | in der Hoffnung daß ein naher Frieden vielleicht auch auf | ||||||
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