Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 531 |
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| 01 | meiner Correspondenz einer Unzufriedenheit meinerseits zuzuschreiben | ||||||
| 02 | scheinen; wozu ich in der That gar keine Ursache habe. | ||||||
| 03 | Daß ich bey einigen meiner neueren Verlagsartikel mich nicht an | ||||||
| 04 | Sie gewandt habe, davon ist nichts anders Ursache, als weil ich, bey | ||||||
| 05 | meiner eingezogenen Lebensart, täglich einen hinreichenden Vorrath | ||||||
| 06 | neuen Meßguts, gleichsam als Nahrung, statt alles übrigen Genusses, | ||||||
| 07 | des Abends nöthig habe und hiezu der Willfährigkeit eines oder des | ||||||
| 08 | anderen der hiesigen Buchhändler bedarf, die mir, wenn ich ihnen | ||||||
| 09 | nicht auch etwas zum Verlag gebe, verweigert wird, als wovon ich | ||||||
| 10 | schon die Erfahrung habe. - Indessen hoffte ich doch dieses Verkehr | ||||||
| 11 | theilen und so mit Ihnen auch Geschäfte machen zu können und gebe | ||||||
| 12 | diese Hofnung, unerachtet zweyer Hindernisse auch jetzt nicht auf: deren | ||||||
| 13 | eine ist, daß in meinem ziemlich hohen Alter meine schriftstellerische | ||||||
| 14 | Arbeit nur langsam und mit vielen durch Indisposition verursachten | ||||||
| 15 | Unterbrechungen fortrückt, so, daß ich für die Vollendung derselben | ||||||
| 16 | keinen Termin (wenigstens jetzt nicht) sicher bestimmen kann: die andere, | ||||||
| 17 | daß, da mein Thema eigentlich Metaphysik in der weitesten Bedeutung | ||||||
| 18 | ist und, als solche, Theologie, Moral (mit ihr also Religion) imgleichen | ||||||
| 19 | Naturrecht (und mit ihm Staats= und Völkerrecht), obzwar nur nach | ||||||
| 20 | dem, was blos die Vernunft von ihnen zu sagen hat, befaßt, auf | ||||||
| 21 | welcher aber jetzt die Hand der Censur schweer liegt, man nicht sicher | ||||||
| 22 | ist, ob nicht die ganze Arbeit, die man in einem dieser Fächer übernehmen | ||||||
| 23 | möchte, durch einen Strich des Censors vereitelt werden | ||||||
| 24 | dürfte. - Wenn nur der Friede, welcher nahe zu seyn scheint, eingetreten | ||||||
| 25 | seyn wird, so werden hoffentlich noch bestimmtere Verordnungen | ||||||
| 26 | die Schranken, in denen sich der Autor zu halten hat, genauer vorzeichnen: | ||||||
| 27 | so, daß er in dem, was ihm noch frey gelassen wird, sich für | ||||||
| 28 | gesichert halten kann. - Bis dahin, Werther Freund, werden Sie sich | ||||||
| 29 | also gedulden: indessen daß ich meine Arbeiten in guter Erwartung | ||||||
| 30 | fortsetze. | ||||||
| 31 | Eines bitte ich doch mir zu Gefallen zu thun: nämlich Herren | ||||||
| 32 | Dr Biester zu fragen, was die Ursache sey, daß ich, außer dem ersten | ||||||
| 33 | Qvartal der Berl : M[onats] S[chrift] (nämlich dem Jan: Febr. und Mart.), | ||||||
| 34 | bis jetzt noch kein Stück von ihm erhalten habe; nicht einmal die Zwey, in | ||||||
| 35 | welchen ich Abhandlungen geliefert habe, von denen es Sitte ist dem | ||||||
| 36 | Autor ein Exemplar zuzuschicken. Lieber wäre es mir wohl, wenn es | ||||||
| 37 | ihm gefiele mir schriftlich hierüber einen Aufschlus zu geben; doch, | ||||||
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