Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 499 |
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Text (Kant):
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| 01 | gewiß schon in Deutschland eine große Anzahl denkender Menschen, | ||||||
| 02 | Ew Wohlgeboren Zeitgenosse zu seyn und von Ihnen zu lernen. Vergeblich | ||||||
| 03 | würde ich Worte suchen die vollkommenste und größte Hochachtung | ||||||
| 04 | auszudrücken mit der ich, so lange ich denken kan und das | ||||||
| 05 | Bewußtseyn habe wem ich meine Erkentniß verdanke, stets seyn werde | ||||||
| 06 | Ew Wohlgebornen | ||||||
| 07 | Magdeburg | ||||||
| 08 | den 12t. April 1794. | aufrichtigster und | |||||
| 09 | innigster Verehrer | ||||||
| 10 | Mellin | ||||||
| 623. | |||||||
| 12 | Von Iohann Wilhelm Reche. | ||||||
| 13 | 22. April 1794. | ||||||
| 14 | Wohlgeborner, | ||||||
| 15 | Verehrungswürdiger Herr Professor! | ||||||
| 16 | Beiligendes Exemplar eines "Versuchs über die Sympathie" | ||||||
| 17 | übersende ich hiedurch Ew. Wohlgeb. mit einem Gefühle der Achtung | ||||||
| 18 | und Dankbarkeit, das ich kaum zu äussern vermag. Abgeschieden von | ||||||
| 19 | der größern Welt, nur in einem kleinen stillen Dorfe lebend, und gesondert | ||||||
| 20 | von aller Verbindung mit philosophischen Freünden suchte ich | ||||||
| 21 | seit einigen Iahren mich in Ihre Schriften hineinzustudiren, und wie | ||||||
| 22 | viel Grund ich auch habe, zu zweifeln, daß es mir überall gelungen | ||||||
| 23 | sei; so glaube ich doch, seit der Zeit die Aussichten meines Geistes in | ||||||
| 24 | einem solchen Maaße erweitert zu finden, daß ich nicht umhin kann, | ||||||
| 25 | Ew. Wohlgeb. wenigstens in ein paar todten Worten meine innigste | ||||||
| 26 | Ehrerbietung zu bezeügen. Stolz und zugleich Vermessenheit wäre es, | ||||||
| 27 | zu erwarten, daß jener Versuch eines, wenn auch nur kurzen, belehrenden | ||||||
| 28 | Urtheils werde gewürdigt werden. Denn obgleich ich sehnlich | ||||||
| 29 | wünschte, zu wissen, auf welche Punkte Ihres Systems ich meine Aufmerksamkeit | ||||||
| 30 | noch genauer zu richten habe; so kann doch dieser geringfügige | ||||||
| 31 | Versuch die Hofnung, meinen Wunsch von Ew. Wohlgeb. selbst | ||||||
| 32 | befriedigt zu sehen, keinesweges begründen. Und welcher einzelne | ||||||
| 33 | Mensch dürfte dem ehrwürdigsten Greise seiner Zeit eine Stunde | ||||||
| 34 | rauben, die er zur Erleüchtung vieler Tausende anwenden kann? Bei | ||||||
| 35 | einer solchen Anwendung derselben fallen ja ohnehin auch auf den | ||||||
| 36 | Einzelnen noch milde Stralen zurück. Möchten Sie also nur diese | ||||||
| 37 | Zeilen als solche ansehen, die die Pflicht mir abgenöthigt habe! | ||||||
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