Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 342 |
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| 01 | liebenswürdigen Charakter, Ihre Universität bezieht, und wünscht, durch | ||||||
| 02 | einen Brief den er von einem Bekannten an Sie mitbringt, einen | ||||||
| 03 | nähern Zutritt zu Ihnen zu bekommen: so habe ich ihm diese kleine | ||||||
| 04 | Gefälligkeit um desto weniger abschlagen wollen, da ich selbst mit Vergnügen | ||||||
| 05 | eine sich darbiethende Gelegenheit ergreife Sie von meiner | ||||||
| 06 | Hochachtung zu versichern Ich kenne sie gnugsam aus Ihren Schriften, | ||||||
| 07 | u. selbst aus dem einzigen Briefe, den ich vor einigen Iahren von | ||||||
| 08 | Ihnen erhalten habe, um überzeugt zu seyn, daß Sie jungen lehrbegierigen | ||||||
| 09 | Leuten, die durch ihre gute Aufführung sich Ihrer Freundschaft | ||||||
| 10 | würdig machen, sich gerne mittheilen, u. was Sie können, zu | ||||||
| 11 | deren Ausbildung beytragen. Für den jungen Mann, den ich Ihnen | ||||||
| 12 | empfehle, kann ich stehen, daß er gesittet u. fleißig ist, u. sich so, auch | ||||||
| 13 | als Akademischer Bürger, zeigen wird. Erzeigen Sie ihm also, auch | ||||||
| 14 | um meinetwillen, alle die Gefälligkeiten deren er in dem Laufe seiner | ||||||
| 15 | Studien benöthigt seyn könnte; erlauben Sie ihm insbesondre den | ||||||
| 16 | Zutritt zu ihrem Umgange, wenn Sie ihn, nach genauerer Prüfung, | ||||||
| 17 | fähig finden, davon einen nützlichen Gebrauch zu machen. | ||||||
| 18 | Von wissenschaftlichen Gegenständen erlaubt mir die Kürze der | ||||||
| 19 | Zeit und des Raums, nicht zu reden. Sie sind auch mein Lehrer, in | ||||||
| 20 | vielen Puncten, so wie der Lehrer von Deutschland. Da Sie keine nachsprechende | ||||||
| 21 | Schüler verlangen, so werden Sie meinen Dank, den ich | ||||||
| 22 | Ihnen hier von neuem für Ihren philosophischen Unterricht sage, nicht | ||||||
| 23 | weniger wahr u. aufrichtig finden, wenn ich hinzusetze daß ich nicht | ||||||
| 24 | über alle von Ihnen behandelte Materien mit Ihnen gleichförmig | ||||||
| 25 | denke. Es ist die größte Belohnung des Selbstdenkers, wenn er die | ||||||
| 26 | Denkkräfte andrer in Thätigkeit setzt. Wenige Schriftsteller haben diesen | ||||||
| 27 | Endzweck durch ihre Werke in einem so hohen Grade erreicht, wenige, | ||||||
| 28 | noch bey ihrem Leben, eine so ausgebreitete Wirkung davon gesehen, | ||||||
| 29 | als Sie. Aber eben mit dieser Erweckung des eignen Nachdenkens bey | ||||||
| 30 | den Lesern, ist eine solche Gelehrigkeit derselben, welche in alle Sätze | ||||||
| 31 | u. Formen des Schriftstellers einstimmt, unverträglich. - Wie sehr | ||||||
| 32 | wünschte ich daß unsre Wohnplätzen weniger von einander entfernt | ||||||
| 33 | wären. Wie sehr wünschte ich auch als Mensch Ihnen bekannt zu | ||||||
| 34 | seyn, u. aller Schätze ihres Geistes, in vertraulichem Umgange zu genießen. | ||||||
| 35 | Da die Vorsicht unsre Laufbahnen anders gezeichnet hat: so | ||||||
| 36 | wollen wir, zufrieden mit derjenigen unsichtbaren Verbindung, die | ||||||
| 37 | zwischen Wahrheit liebenden Denkern, an den entferntesten Orten vorhanden | ||||||
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