Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 298 |
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01 | jedes andern Buches verzeihen würde; so bleibt sie wohl ein verschloßenes | ||||||
02 | Buch. Er vertreibe mir doch z. B. den Teufel aus der | ||||||
03 | Bibel, ohne Christum u: seine Iünger zu offenbaren Lügnern u: Betrügern | ||||||
04 | zu machen! Das Zittern, Zagen u: blutigen Schweiß schwitzen | ||||||
05 | am Oehlberg ist wahrhaftig auch einem göttlichen Gesandten eben | ||||||
06 | nicht sehr anständig gewesen, wenn es nichts als Furcht war, was ihn | ||||||
07 | quälte. Aldenn übertrafen seine Iünger ihren Meister weit bei der | ||||||
08 | herannahenden u: wirklich eintretenden TodesGefahr. Auch wiederspricht | ||||||
09 | sein Betragen bei seiner Kreutzigung gantz der Meinung, da | ||||||
10 | er wohl aus Angst u: Furcht für seinem bevorstehenden schmerzhaften | ||||||
11 | Tode eine solche unmännliche Rolle in Gethsemane gespielt haben | ||||||
12 | könne, oder die gantzen Bücher sind listige Producte schlauer Betrüger. | ||||||
13 | Und was kann erst die einige 100 Iahr darnach entstandene neuplatonische | ||||||
14 | Philosophie für Einfluß auf die Abfaßung der Schriften des | ||||||
15 | N. T. gehabt haben?? | ||||||
16 | Im Fall Sie mich, so wie auch der Herr Hofprediger Schulze, | ||||||
17 | einer Antwort würdigen wollen, (von welcher Sie glauben können, da | ||||||
18 | sie bei mir gewiß nicht übel angewendet ist: denn ich suche bei allem | ||||||
19 | was mir theuer u: heilig ist, nichts als Wahrheit u: sollte es | ||||||
20 | auch die allertraurigste seyn, die ich fände; so kann sie unmöglich | ||||||
21 | trauriger als meine Zweifel seyn) so bitte gehorsamst Ihre Antwort | ||||||
22 | nach Niederstreith bei Striegau in Niederschlesien zu adreßiren, | ||||||
23 | woselbst mein künftiger Auffenthalt seyn u: wovon ich Besitzer seyn | ||||||
24 | werde. | ||||||
25 | Ich verharre mit sehr großer Hochachtung als | ||||||
26 | Ew: Wohlgebohren | ||||||
27 | gantz gehorsamster Diener | ||||||
28 | Carl v. Seidlitz. | ||||||
491. | |||||||
30 | An Samuel Gottlieb Wald. | ||||||
31 | 15. Oct. 1791. | ||||||
32 | Ew: Wohlgebohren | ||||||
33 | haben mich durch die gütige Ubernahme | ||||||
34 | meiner Stelle in der Examinations Commission für dieses halbe Iahr | ||||||
35 | unendlich obligirt; ich wünsche Gelegenheit zu finden diese gütige Gefälligkeit | ||||||
36 | erwiedern zu können. | ||||||
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