Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 232 |
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| 01 | vor[igen] Iahrs sagen Sie: "Ich habe mir hier angebotene ansehnliche Bedingungen | ||||||
| 02 | ausgeschlagen, indem ich ungern von alten Verbindungen | ||||||
| 03 | "abgehe. Sobald ich mit meiner unter Händen habenden Arbeit zu | ||||||
| 04 | "Ende bin, werde Ew. weitere Nachricht ertheilen." O! hätten Ew. | ||||||
| 05 | Wohlgeb. doch diese Worte nicht geschrieben, u. mir lieber gerade zu | ||||||
| 06 | gesagt, daß Sie bereits einen andern Verleger hätten, so hätte es mich | ||||||
| 07 | nicht so sehr geschmerzt, mich von Ihnen verlassen zu sehen. Ich bin | ||||||
| 08 | ein Anfänger, dessen hauptsächlichste Stütze Ihre vortreffliche Schriften | ||||||
| 09 | waren, und hoffte meiner Handlung durch die Fortdauer Ihrer Gewogenheit, | ||||||
| 10 | Ehre zu machen, u. nun sehe mich im Anfang meiner Laufbahn, | ||||||
| 11 | von einem der ältesten, würdigsten Freunde meines sel. Vaters verlassen. | ||||||
| 12 | Des Nachtheils für meinen Credit, der daraus erwachsen, will | ||||||
| 13 | ich nicht gedenken. Daß Sie den jungen Nikolovius, den ich aufrichtig | ||||||
| 14 | liebe u. hochschätze, mit einem Ihrer Werke unterstützten, würde ich | ||||||
| 15 | Ihnen nie verdacht haben; da er zu seinem Etablissement, einer solchen | ||||||
| 16 | Empfehlung bedurfte. Wie aber Lagarde, ein dritter, dessen Handlung | ||||||
| 17 | blühend und im besten Stande war, zu der Ehre kömmt, Ihr Verleger | ||||||
| 18 | zu werden, das kann ich nur Verleumdungen oder andern niedrigen | ||||||
| 19 | Schritten zuschreiben, die mich Ihres Zutrauens u. des Wohlwollens, | ||||||
| 20 | das Sie doch anfänglich gegen mich äusserten, so gänzlich beraubt | ||||||
| 21 | haben, daß mich Ew. Wohlgeb. nicht einmal würdigten, mich in ein | ||||||
| 22 | paar Zeilen von Ihrem Entschluß zu benachrichtigen. Ich kann mir | ||||||
| 23 | selbst das Zeugniß geben, daß ich wissentlich auf keine Weise Anla | ||||||
| 24 | dazu gegeben habe. | ||||||
| 25 | Ich habe bisher gänzlich hierüber geschwiegen, u. würde es noch | ||||||
| 26 | länger gethan haben, da ich mich niemanden der mich verschmäht, | ||||||
| 27 | aufdringen, und keines Menschen Gunst erkriechen mag, wenn mich | ||||||
| 28 | diese Gelegenheit nicht dazu veranlasst hätte. - Nur noch dieß erlauben | ||||||
| 29 | mir Ew. Wohlgeb. anzumerken, daß keine Bedingungen so vortheilhaft | ||||||
| 30 | für Sie seyn können, die ich nicht alle willig u. gern erfüllt hätte. | ||||||
| 31 | Doch dieß könnte Ihnen wohl gar Gelegenheit geben, zu glauben, ich | ||||||
| 32 | hielte Sie für eigennützig, da doch dieß keinesweges der Fall ist, u. ich, | ||||||
| 33 | wie ich schon oben geäussert, Ihre Entfernung nur niedrigen Verläumdungen | ||||||
| 34 | zuschreiben kann. Sollte ich indessen unwissentlich gefehlt | ||||||
| 35 | haben, so hätte es nur eines Worts, eines freundschaftlichen Winks | ||||||
| 36 | bedurft, um mich auf meinen Fehler aufmerksam zu machen, den ich | ||||||
| 37 | mich auf alle mögliche Weise wieder gut zu machen bemüht haben würde. | ||||||
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