Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 197

     
           
 

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  01 als auf der daselbst angeführten Stelle. Der Beweis für den Mundus intelligibilis      
  02 als wahrlich außer den Geistern bestehend, überzeugt mich nicht. Ieder hat      
  03 seinen eigenen Standpunkt. Ich bin ein Bewunderer des Berkeley. Nicht vor      
  04 1775 habe ich seine Schriften gelesen. Dieses machte Epoche in meinen Betrachtungen      
  05 über das Metaphysische. Dieser scharfsinnige tiefdenkende Weltweise schrieb      
  06 gegen die Skeptiker und glaubte den Anomalien der Atomisten zu entweichen;      
  07 seine vornehmsten Werke sind Principles of human knowledge und die Hylas      
  08 and Philonous; auch verdient gelesen zu werden On vision , selbst die Siris oder      
  09 über Theerwasser und die Diatriba de motu . Vielleicht hat Niemand die Parmen[ides]      
  10 des Plato so gut als er verstanden. Das Gefällige der Platonischen Gespräche      
  11 hat er im Hylas nachgeahmt. Oft glaubte ich, ihm in der Kritik d. r. V. zu begegenen      
  12 und, ni fallor, wird er nur einmal mit dem Epithet: der gute angeführt.      
  13 Dieses macht mich zweifelen ob er Englisch oder in ei[ner] guten Übersetzung (wozu      
  14 ein Kenner nöthig ist,) von Ihnen gelesen sey. Der große Berkeley verdient ein      
  15 weitläuftigeres Examen. Er sezt 1) Geister und 2) Naturgesetze der Gewahrwerdung      
  16 oder passive Ideën. Diese Naturgesetze formiren einen mundus Sensitivus      
  17 für jeden individuellen Geist und m[achen,] daß diese mundi in differirenden Individuis      
  18 harmoniren; Alles nach scheinbaren Regeln von causalitaet, so daß wir      
  19 wirken und zusammen leben können. Naturgesetze sind eigentlich nichts anders als      
  20 die Regeln der beständigen Energie des Willens des Schöpfers, der so seine Weisheit      
  21 und Güte den Menschen bezeigt. Nach Berkeley kan kein mundus externus      
  22 unsern Ideen gleichen: Das Extensum kan nicht der Wahrheit gemäß im nonextenso      
  23 abgemahlt werden. Das Materiale hält er für unmöglich, wegen der bekannten      
  24 Ungereimtheiten von Compositio und divisio continui . Auch behauptet er      
  25 solch ein mundus externus sey durchaus unnütz und von keinem Werth, ein Superfluum      
  26 das nirgens zu dienet; weil doch in allen Systemen die Zwischenkunft oder      
  27 mediatio der Naturgesetze, der SensationsGesetze erfordert wird, um das prorsus      
  28 heterogeneum , den mundus exter[nus] in jedem Geist zu einem mundus sensualis      
  29 umzuschaffen. Zu Berkeleys Naturgesetzen gehöret Ihre Form oder sonderbare      
  30 conformation der Seele, nach der, Zeit und Raum Anschauungen, und das Substratum      
  31 aller unserer Vorstellungen sind. Der Bischoff würde sagen: Ihre Sensationen      
  32 beweisen keine außergeistliche Welt; sie indiciren, sie postuliren nichts      
  33 dergleichen. Eine mirakulöse Offenbahrung würde nöthig seyn, um die Existenz      
  34 zu glauben. Vielleicht würden die Leibnizianer den Berkeley unterstützen wollen,      
  35 oder ihm wenigstens im Streit beystehen und sagen: Der mundus von Monaden      
  36 ist begreifflich weil die Substanzen und Veränderungen mit der PhänomenenWelt      
  37 einigermaßen analogisch sind. Phaenomena von der Ausbreitung einer Meile      
  38 indiciren eine proportionirliche Anzahl und Energie von Monaden; Sensationen      
  39 von einer Iahresfrist zeugen von mehr Veränderungen in dem mundus intell : als      
  40 die Sensationen in einer Stunde. Was ist dagegen der Kantsche Mundus vere      
  41 existens ? το Παν? Syntagma ? vel Substantia unica ? finitum infinitum ?      
  42 Quantum vel Quale ? vivum aut mortuum ? oder sollte er seyn omniscium, omnipotens      
  43 etc so als Berkeleys? Kan dieser gantze mundus nicht verschwinden ohne      
           
     

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