Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 107 |
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Text (Kant):
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| 391. | |||||||
| 02 | Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. | ||||||
| 03 | 19. Nov. 1789. | ||||||
| 04 | Wohlgebohrner Herr, | ||||||
| 05 | Hochzuehrender Herr Professor, | ||||||
| 06 | Ich würde gewiß schon eher meine Pflicht erfüllt oder vielmehr | ||||||
| 07 | den Wunsch meines Herzens befolgt und an Sie, theuerster Mann, | ||||||
| 08 | geschrieben haben, wenn ich nicht dadurch abgehalten worden wäre, | ||||||
| 09 | daß der Kanzler von Hoffmann Ihnen zugleich antworten wollte. | ||||||
| 10 | Ietzt ergreife ich diese Gelegenheit, um Ihnen nochmals für die vielen | ||||||
| 11 | und großen Beweise Ihrer Güte, die Sie mir erwiesen, für den Flei | ||||||
| 12 | den Sie auf meinen Unterricht verwandten, für die väterliche Sorgfalt | ||||||
| 13 | mit der Sie sich meiner annahmen, meinen wärmsten und innigsten | ||||||
| 14 | Dank zu sagen. Ich werde es nie vergessen, was ich Ihnen verdanke, | ||||||
| 15 | ich werde in Ihnen stets meinen zweiten Vater verehren. Ich bitte | ||||||
| 16 | Sie herzlich, versagen Sie mir auch in Zukunft Ihre Freundschaft | ||||||
| 17 | nicht, und erlauben Sie mir, daß ich zuweilen das Vergnügen haben | ||||||
| 18 | darf, mich mit Ihnen schriftlich zu unterhalten, und mich so an die | ||||||
| 19 | mündlichen Unterhaltungen mit Ihnen zu erinnern, die mich damals | ||||||
| 20 | so glücklich machten. | ||||||
| 21 | Den Minister v. Wöllner habe ich auf eine Viertelstunde gesprochen. | ||||||
| 22 | Er gedachte Ihrer mit großer Achtung und versicherte mich, | ||||||
| 23 | daß es ihn gefreut habe, durch die Bewilligung der Zulage Ihnen | ||||||
| 24 | einen kleinen Dienst erweisen zu können. Seinem Rathe gemäß, mußte | ||||||
| 25 | ich sogleich an den König schreiben, ihm meine Ankunft in Berlin | ||||||
| 26 | melden, nochmals danken und ihm notificiren, daß ich diesen Winter | ||||||
| 27 | Vorlesungen halten wollte. Übrigens gab er mir große Versicherungen | ||||||
| 28 | seiner Gnade, auf die ich, wie er sagte, fest bauen könnte, auf die | ||||||
| 29 | ich aber wenig oder nichts bauen werde. - Er ist beinahe ganz unzugänglich, | ||||||
| 30 | und meine Freunde priesen mich glücklich, daß er sich von | ||||||
| 31 | mir hatte sprechen laßen, ob ich gleich einigemal vergeblich zu ihm | ||||||
| 32 | hatte gehen müßen. | ||||||
| 33 | Der Kanzler von Hoffmann kam vor ungefähr 8 Tagen nach Berlin | ||||||
| 34 | und ich habe ihm sogleich meine Aufwartung gemacht. Ich fand in | ||||||
| 35 | ihm noch eben den vortreflichen, rechtschaffenen, menschenfreundlichen | ||||||
| 36 | Mann, den ich sonst in ihm gekannt hatte und auch seine Freundschaft | ||||||
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