Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 084 |
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| 01 | Hand bekäme, die unschuldigen Seelen mit meinen verderblichen Irrthümern | ||||||
| 02 | anzustecken. Es kam dieß alles vor den dänischen Hof, dem | ||||||
| 03 | die Sache so wichtig gemacht worden war, daß er deshalb an den | ||||||
| 04 | Prokanzler Cramer schrieb u. dieser von mir eine schriftliche Versicherung | ||||||
| 05 | verlangte, daß die Lehrer der Akademie an meinen Lehrsätzen, | ||||||
| 06 | so fern sie irrig wären, keine Schuld hätten, welche ich ihm auch gerne | ||||||
| 07 | gab. Es blieb mir jetzt keine Hofnung zu einer Predigerstelle in | ||||||
| 08 | meinem Vaterlande mehr übrig u. ich mußte mich entschließen jura | ||||||
| 09 | zu studieren, welches ich auch that. Ich hatte nach geendigtem cursus | ||||||
| 10 | Hofnung in Coppenhagen beym Iustitz=Collegium engagirt zu werden | ||||||
| 11 | und stand im Begriff dahin zu gehen, als der HE Professor Ehlers | ||||||
| 12 | von der hiesigen Katharinengemeine den Auftrag erhielt, ihr einen | ||||||
| 13 | Mann zum Rector bey ihrer Schule und zur Verwaltung des Nachmittagsgottesdienstes | ||||||
| 14 | vorzuschlagen. Er schlug mich vor; man nahm | ||||||
| 15 | mich, ungeachtet der Heterodoxie, die ich nicht, wegen der Folgen, verschwiegen | ||||||
| 16 | wissen wollte, an, und schickte mir, als ich mich auf dHE | ||||||
| 17 | Professor Ehlers Rath, zur Annahme der Stelle bereitwillig erklärt | ||||||
| 18 | hatte, meine Bestallung als Rector und Gehülfe des HE Pastors nach | ||||||
| 19 | Holstein. Mein Gehalt war 500 Rubel, die Einnahme bey der Schule | ||||||
| 20 | ungefehr auf 250 Rubel angegeben und ausserdem freye Wohnung, Holz | ||||||
| 21 | und Licht bewilligt. Ich hatte die Geschäfte meines Amts, nach dem | ||||||
| 22 | öffentlichen und schriftlichen Zeugniß des Convents dieser Gemeine, | ||||||
| 23 | gewissenhaft und zu seiner Zufriedenheit 3 Iahre hindurch verrichtet, | ||||||
| 24 | als der Convent von dem Directorium der deutschen Volksschulen den | ||||||
| 25 | Befehl erhielt, seine Lehrer nach der Petrischule zu schicken, um sie | ||||||
| 26 | daselbst prüfen und dann in ihrem Amt bestätigen zu lassen. Der | ||||||
| 27 | Convent machte dagegen Vorstellungen, weil er das Recht schon gegen | ||||||
| 28 | 60 Iahre besessen hatte, über die Tüchtigkeit seiner Schul= und Kirchenlehrer | ||||||
| 29 | selbst zu urtheilen, sie zu berufen und zu bestätigen. - Ich | ||||||
| 30 | erklärte mich ebenfalls, daß ich mich für gesetzmäßig berufen und in | ||||||
| 31 | meinem Amte bestätigt ansähe und weigerte mich daher mich noch einmal | ||||||
| 32 | darin bestätigen zu lassen. Das Ende vom Streite war, daß die | ||||||
| 33 | Commission, die unmittelbar unter der Kaiserin steht, auf die Vorstellung | ||||||
| 34 | des Directorii, die Lehrer, ohne weiters, abdankte, worauf | ||||||
| 35 | also die Schule einging, der Nachmittagsgottesdienst aufhörte und ich | ||||||
| 36 | ohne Amt dastand und noch stehe. Warum ich mich denn jetzt nicht | ||||||
| 37 | an meine ehemaligen Lehrer in der Philosophie, an HE Professor | ||||||
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