Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 346 |
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01 | keine Metaphysik statt findet. 2. Ob es wahr sey, was ich behauptet | ||||||
02 | habe, daß wir a priori über nichts als über die formale Bedingung | ||||||
03 | einer möglichen (äußeren oder inneren) Erfahrung überhaupt synthetisch | ||||||
04 | urtheilen können, so wohl was die sinnliche Anschauung derselben, als | ||||||
05 | was die Verstandesbegriffe betrift, die beyderseits noch vor der Erfahrung | ||||||
06 | vorher gehen und sie allererst möglich machen. 3. ob also auch | ||||||
07 | meine letzte Folgerung richtig sey: daß alle uns mögliche speculative | ||||||
08 | Erkentnis a priori nicht weiter reiche, als auf Gegenstände einer uns | ||||||
09 | möglichen Erfahrung, nur mit dem Vorbehalte, daß dieses Feld möglicher | ||||||
10 | Erfahrung nicht alle Dinge an sich selbst befasse, folglich allerdings | ||||||
11 | noch andere Gegenstände übrig lasse, ja so gar als nothwendig | ||||||
12 | voraussetze, ohne daß es uns doch möglich wäre von ihnen das mindeste | ||||||
13 | bestimmt zu erkennen. Wären wir erst soweit, so würde sich die Auflösung, | ||||||
14 | darinn sich die Vernunft selbst verwickelt, wenn sie über alle | ||||||
15 | Grenze möglicher Erfahrung hinauszugehen versucht, von selbst geben, | ||||||
16 | imgleichen die noch nothwendigere Beandtwortung der Frage, wodurch | ||||||
17 | denn die Vernunft getrieben wird über ihren eigentlichen Wirkungskreis | ||||||
18 | hinauszugehen, mit einem Worte die Dialectick der reinen Vernunft | ||||||
19 | würde wenig Schwierigkeit mehr machen und von da an würde | ||||||
20 | die eigentliche Annehmlichkeit einer Critik anheben, mit einem sicheren | ||||||
21 | Leitfaden in einem Labyrinthe herum zu spatziren, darinn man sich | ||||||
22 | alle Augenblicke verwirrt und eben so oft den Ausgang findet. Zu | ||||||
23 | diesen Untersuchungen würde ich gerne an meinem Theile alles mir | ||||||
24 | mögliche beytragen weil ich gewiß weiß, daß wenn die Prüfung nur | ||||||
25 | in gute Hände fällt, etwas ausgemachtes daraus entspringen werde. | ||||||
26 | Allein meine Hofnung zu derselben ist nur klein. Mendelssohn, Garve | ||||||
27 | u. Tetens scheinen dieser Art von Geschäfte entsagt zu haben und | ||||||
28 | wo ist noch sonst jemand, der Talent u. guten Willen hat, sich damit | ||||||
29 | zu befassen? Ich muß mich also damit begnügen, daß dergleichen | ||||||
30 | Arbeit, wie Swift sagt, eine Pflanze sey die nur aufblüht wenn der | ||||||
31 | Stock in die Erde kommt. Vor dieser Zeit dencke ich indessen doch ein | ||||||
32 | Lehrbuch der Metaphysik nach obigen critischen Grundsätzen und zwar | ||||||
33 | mit aller Kürze eines Handbuchs, zum Behuf academischer Vorlesungen, | ||||||
34 | nach und nach auszuarbeiten und in einer nicht zu bestimmenden, | ||||||
35 | vielleicht ziemlich entferneten Zeit, fertig zu schaffen. Diesen Winter | ||||||
36 | werde ich den ersten Theil meiner Moral, wo nicht vollig doch meist | ||||||
37 | zu Stande bringen. Diese Arbeit ist mehrer Popularität fähig, hat | ||||||
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