Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 337 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Denkungsart anzutreffen, die jenen Geistesgaben den wahren | ||||||
02 | Werth giebt. Das letztere glaube ich nicht von Ihrem Götting'schen | ||||||
03 | Freunde annehmen zu können, der, gantz ungereitzt, seine ganze recension | ||||||
04 | hindurch (denn ich kan sie, nach der Verstümmelung, wohl die seinige | ||||||
05 | nennen) nichts als animositaet athmete. Es war doch in meiner | ||||||
06 | Schrift manches, was, wenn er gleich dem Aufschlusse der Schwierigkeiten, | ||||||
07 | die ich aufdeckte, seinen Beyfall nicht gab, doch wenigstens darum, | ||||||
08 | weil ich sie zuerst in dem gehörigen Lichte und im ganzen Umfange | ||||||
09 | dargestellet hatte, weil ich die Aufgabe, so zu sagen, auf die einfachste | ||||||
10 | Formel gebracht, wenn gleich nicht aufgelöset hatte, erwähnt zu werden | ||||||
11 | verdient hätte; so aber tritt er in einem gewissen Ungestüme, ja ich | ||||||
12 | kan wohl sagen mit einem sichtbaren Grimme, alles zu Boden, wovon | ||||||
13 | ich nur die Kleinigkeit anmerke, daß er auch das, in dieser Zeitung | ||||||
14 | sonst gewöhnliche und den Tadel etwas versüßende abgekürtzte Hr:, | ||||||
15 | vor dem Wort Verf: absichtlich wegließ. Diesen Mann kann ich aus | ||||||
16 | seiner Manier, vornemlich wo er seine eigene Gedanken hören läßt, | ||||||
17 | sehr wohl errathen. Als Mitarbeiter einer berühmten Zeitung hat er, | ||||||
18 | wo nicht die Ehre, doch wenigstens den Ehrenruf eines Verfassers auf | ||||||
19 | kurze Zeit in seiner Gewalt. Aber er ist doch zugleich auch selbst | ||||||
20 | Autor und setzt dabey auch seinen eigenen Ruf in Gefahr, die sicherlich | ||||||
21 | nicht so klein ist, als er sich vorstellen mag. Doch ich schweige davon, | ||||||
22 | weil Sie ihn Ihren Freund zu nennen belieben. Zwar sollte er | ||||||
23 | auch, obgleich in einem weiteren Verstande, mein Freund seyn, wenn | ||||||
24 | gemeinschaftlicher Antheil an derselben Wissenschaft und angestrengte, | ||||||
25 | obgleich fehlschlagende Bemühungen, um diese Wissenschaft auf einen | ||||||
26 | sicheren Fuß zu bringen, litterärische Freundschaft machen kan; allein | ||||||
27 | es kommt mir vor, daß es hier, eben so wie anderwerts, zugegangen | ||||||
28 | ist; dieser Mann muß besorgt haben, von seinen eigenen Ansprüchen | ||||||
29 | bey dergleichen Neurungen etwas einzubüssen; eine Furcht die ganz | ||||||
30 | ungegründet ist; denn hier ist nicht von der Eingeschränktheit der | ||||||
31 | Autoren, sondern des menschl: Verst: die Rede. | ||||||
32 | (Ich muß mir hier die Erlaubnis nehmen abzubrechen und mit | ||||||
33 | dem folgenden Blatte anzufangen weil das schlimme durchschlagende | ||||||
34 | Papier die Schrifft unleserlich machen würde | ||||||
35 | Sie können mir, geehrtester Herr, festiglich glauben, auch zu | ||||||
36 | aller Zeit auf der Leipziger Messe bey meinem Verleger Hartknoch erkundigen, | ||||||
37 | daß ich allen seinen Versicherungen, als ob Sie an der | ||||||
[ Seite 336 ] [ Seite 338 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |