Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 031

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Fängt man die Epoche des Skepticismus mit dem Pyrrho an, so bekommt      
  02 man eine ganze Schule von Skeptikern, die sich in ihrer Denkart      
  03 und Methode des Philosophirens von den Dogmatikern wesentlich      
  04 unterschieden, indem sie es zur ersten Maxime alles philosophirenden Vernunftgebrauchs      
  05 machten: auch selbst bei dem größten Scheine der      
  06 Wahrheit sein Urtheil zurückzuhalten, und das Princip aufstellten:      
  07 die Philosophie bestehe im Gleichgewichte des Urtheilens und      
  08 lehre uns den falschen Schein aufzudecken. Von diesen Skeptikern      
  09 ist uns aber weiter nichts übrig geblieben als die beiden Werke des      
  10 Sextus Empiricus, worin er alle Zweifel zusammengebracht hat.      
           
  11 Als in der Folge die Philosophie von den Griechen zu den Römern      
  12 überging, hat sie sich nicht erweitert; denn die Römer blieben immer nur      
  13 Schüler.      
           
  14 Cicero war in der speculativen Philosophie ein Schüler des Plato,      
  15 in der Moral ein Stoiker. Zur stoischen Sekte gehörten Epiktet, Antonin      
  16 der Philosoph und Seneca, als die berühmtesten. Naturlehrer      
  17 gab es unter den Römern nicht, außer Plinius dem jüngern,      
  18 der eine Naturbeschreibung hinterlassen hat.      
           
  19 Endlich verschwand die Cultur auch bei den Römern und es entstand      
  20 Barbarei, bis die Araber im 6ten und 7ten Jahrhundert anfingen,      
  21 sich auf die Wissenschaften zu legen und den Aristoteles wieder in      
  22 Flor zu bringen. Nun kamen also die Wissenschaften im Occident wieder      
  23 empor und insbesondere das Ansehen des Aristoteles, dem man aber auf      
  24 eine sklavische Weise folgte. Im 11ten und 12ten Jahrhundert traten      
  25 die Scholastiker auf; sie erläuterten den Aristoteles und trieben seine      
  26 Subtilitäten ins Unendliche. Man beschäftigte sich mit nichts als lauter      
  27 Abstractionen. Diese scholastische Methode des After=Philosophirens      
  28 wurde zur Zeit der Reformation verdrängt, und nun gab es Eklektiker      
  29 in der Philosophie, d. i. solche Selbstdenker, die sich zu keiner Schule bekannten,      
  30 sondern die Wahrheit suchten und annahmen, wo sie sie fanden.      
           
  31 Ihre Verbesserung in den neueren Zeiten verdankt aber die Philosophie      
  32 theils dem größeren Studium der Natur, theils der Verbindung      
  33 der Mathematik mit der Naturwissenschaft. Die Ordnung, welche durch      
  34 das Studium dieser Wissenschaften im Denken entstand, breitete sich auch      
           
     

[ Seite 030 ] [ Seite 032 ] [ Inhaltsverzeichnis ]