Kant: AA VIII, Über ein vermeintes Recht ... , Seite 430

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Der, welcher die Anfrage, die ein anderer an ihn ergehen läßt: ob      
  02 er in seiner Aussage, die er jetzt thun soll, wahrhaft sein wolle oder nicht,      
  03 nicht schon mit Unwillen über den gegen ihn hiemit geäußerten Verdacht,      
  04 er möge auch wohl ein Lügner sein, aufnimmt, sondern sich die Erlaubniß      
  05 ausbittet sich erst auf mögliche Ausnahmen zu besinnen, ist schon ein      
  06 Lügner ( in potentia ): weil er zeigt, daß er die Wahrhaftigkeit nicht für      
  07 Pflicht an sich selbst anerkenne, sondern sich Ausnahmen vorbehält von      
  08 einer Regel, die ihrem Wesen nach keiner Ausnahme fähig ist, weil sie      
  09 sich in dieser geradezu selbst widerspricht.      
           
  10 Alle rechtlich=praktische Grundsätze müssen strenge Wahrheit enthalten,      
  11 und die hier sogenannten mittleren können nur die nähere Bestimmung      
  12 ihrer Anwendung auf vorkommende Fälle (nach Regeln der Politik), aber      
  13 niemals Ausnahmen von jenen enthalten: weil diese die Allgemeinheit      
  14 vernichten, derentwegen allein sie den Namen der Grundsätze führen.      
           
           
     

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