Kant: AA VIII, Über den Gemeinspruch Das ... , Seite 289

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Erfahrung hilft ihm nichts, um sich der Vorschrift der Theorie zu entziehen,      
  02 sondern allenfalls nur zu lernen, wie sie besser und allgemeiner      
  03 ins Werk gerichtet werden könne, wenn man sie in seine Grundsätze aufgenommen      
  04 hat; von welcher pragmatischen Geschicklichkeit aber hier nicht,      
  05 sondern nur von letzteren die Rede ist.      
           
  06

II

     
  07

Vom Verhältniß der Theorie zur Praxis im Staatsrecht.

     
  08

(Gegen Hobbes.)

     
           
  09 Unter allen Verträgen, wodurch eine Menge von Menschen sich zu      
  10 einer Gesellschaft verbindet ( pactum sociale ), ist der Vertrag der Errichtung      
  11 einer bürgerlichen Verfassung unter ihnen ( pactum unionis      
  12 civilis ) von so eigenthümlicher Art, daß, ob er zwar in Ansehung der Ausführung      
  13 vieles mit jedem anderen (der eben sowohl auf irgend einen      
  14 beliebigen gemeinschaftlich zu befördernden Zweck gerichtet ist) gemein hat,      
  15 er sich doch im Princip seiner Stiftung ( constitutionis civilis ) von allen      
  16 anderen wesentlich unterscheidet. Verbindung Vieler zu irgend einem (gemeinsamen)      
  17 Zwecke (den Alle haben) ist in allen Gesellschaftsverträgen anzutreffen;      
  18 aber Verbindung derselben, die an sich selbst Zweck ist (den ein      
  19 jeder haben soll), mithin die in einem jeden äußeren Verhältnisse der      
  20 Menschen überhaupt, welche nicht umhin können in wechselseitigen Einfluß      
  21 auf einander zu gerathen, unbedingte und erste Pflicht ist: eine solche      
  22 ist nur in einer Gesellschaft, so fern sie sich im bürgerlichen Zustande befindet,      
  23 d. i. ein gemeines Wesen ausmacht, anzutreffen. Der Zweck nun,      
  24 der in solchem äußern Verhältniß an sich selbst Pflicht und selbst die oberste      
  25 formale Bedingung ( conditio sine qua non ) aller übrigen äußeren Pflicht      
  26 ist, ist das Recht der Menschen unter öffentlichen Zwangsgesetzen,      
  27 durch welche jedem das Seine bestimmt und gegen jedes Anderen Eingriff      
  28 gesichert werden kann.      
           
  29 Der Begriff aber eines äußeren Rechts überhaupt geht gänzlich aus      
  30 dem Begriffe der Freiheit im äußeren Verhältnisse der Menschen zu einander      
  31 hervor und hat gar nichts mit dem Zwecke, den alle Menschen natürlicher      
  32 Weise haben (der Absicht auf Glückseligkeit), und der Vorschrift      
  33 der Mittel dazu zu gelangen zu thun: so daß auch daher dieser letztere sich      
  34 in jenes Gesetze schlechterdings nicht als Bestimmungsgrund derselben      
  35 mischen muß. Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf      
           
     

[ Seite 288 ] [ Seite 290 ] [ Inhaltsverzeichnis ]