Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 187 |
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01 | Herr Eberhard hat die Entdeckung gemacht, daß, wie sein phil. | ||||||
02 | Magazin, erster Band S. 289, besagt, "die Leibnizische Philosophie | ||||||
03 | eben so wohl eine Vernunftkritik enthalte, als die neuerliche, wobei sie | ||||||
04 | dennoch einen auf genaue Zergliederung der Erkenntnißvermögen gegründeten | ||||||
05 | Dogmatism einführe, mithin alles Wahre der letzteren, überdem | ||||||
06 | aber noch mehr in einer gegründeten Erweiterung des Gebiets des Verstandes | ||||||
07 | enthalte." Wie es nun zugegangen sei, daß man diese Sachen | ||||||
08 | in der Philosophie des großen Mannes und ihrer Tochter, der Wolffischen, | ||||||
09 | nicht schon längst gesehen hat, erklärt er zwar nicht; allein wie viele für | ||||||
10 | neu gehaltene Entdeckungen sehen jetzt nicht geschickte Ausleger ganz klar | ||||||
11 | in den Alten, nachdem ihnen gezeigt worden, wornach sie sehen sollen! | ||||||
12 | Allein mit dem Fehlschlagen des Anspruchs auf Neuigkeit möchte es | ||||||
13 | noch hingehen, wenn nur die ältere Kritik in ihrem Ausgange nicht das | ||||||
14 | gerade Widerspiel der neuen enthielte; denn in diesem Falle würde das | ||||||
15 | argumentum ad verecundiam (wie es Locke nennt), dessen sich auch | ||||||
16 | Herr Eberhard aus Furcht, seine eigene möchten nicht zulangen, klüglich | ||||||
17 | (bisweilen auch wie S. 298 mit Wortverdrehungen) bedient, der Aufnahme | ||||||
18 | der letztern ein großes Hinderniß sein. Allein es ist mit dem | ||||||
19 | Widerlegen reiner Vernunftsätze durch Bücher (die doch selbst aus keinen | ||||||
20 | anderen Quellen geschöpft sein konnten, als denen, welchen wir eben so | ||||||
21 | nahe sind, als ihre Verfasser) eine mißliche Sache. Herr Eberhard konnte, | ||||||
22 | so scharfsichtig er auch ist, doch für diesmal vielleicht nicht recht gesehen | ||||||
23 | haben. Überdem spricht er bisweilen (wie S. 381 und 393 die Anmerk.) | ||||||
24 | so, als ob er sich für Leibnizen eben nicht verbürgen wolle. Am besten ist | ||||||
25 | es also: wir lassen diesen berühmten Mann aus dem Spiel und nehmen | ||||||
26 | die Sätze, die Herr Eberhard auf dessen Namen schreibt und zu Waffen | ||||||
27 | wider die Kritik braucht, für seine eigene Behauptungen; denn sonst gerathen | ||||||
28 | wir in die schlimme Lage, daß die Streiche, die er in fremdem | ||||||
29 | Namen führt, uns, diejenigen aber, wodurch wir sie wie billig erwiedern, | ||||||
30 | einen großen Mann treffen möchten, welches uns nur bei den Verehrern | ||||||
31 | desselben Haß zuziehen dürfte. | ||||||
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