Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 056

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01
II
     
           
  02

Erinnerungen des Recensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte

     
  03

der Menschheit (Nro. 4 und Beil. der Allg. Lit.=Zeit.) über ein im

     
  04

Februar des Teutschen Merkur gegen diese Recension gerichtetes Schreiben.

     
           
  05 Im Februar des T. M., Seite 148, tritt unter dem Namen eines      
  06 Pfarrers ein Vertheidiger des Buchs des Herrn Herder gegen den vermeintlichen      
  07 Angriff in unserer A.L.=Z. auf. Es wäre unbillig den Namen      
  08 eines geachteten Autors in den Streit zwischen Recensenten und Antirecensenten      
  09 mit zu verwickeln; daher wollen wir hier nur unsere Verfahrungsart      
  10 in Bekanntmachung und Beurtheilung gedachten Werks als      
  11 den Maximen der Sorgfalt, Unparteilichkeit und Mäßigung, die diese      
  12 Zeitung sich zur Richtschnur genommen hat, gemäß rechtfertigen. Der      
  13 Pfarrer zankt in seinem Schreiben viel mit einem Metaphysiker, den er      
  14 in Gedanken hat, und der, wie er ihn sich vorstellt, für alle Belehrung      
  15 durch Erfahrungswege, oder, wo diese die Sache nicht vollenden, für Schlüsse      
  16 nach der Analogie der Natur gänzlich verdorben ist und alles nach seinem Leisten      
  17 scholastischer unfruchtbarer Abstractionen anpassen will. Der Recensent      
  18 kann sich diesen Zank recht wohl gefallen lassen, denn er ist hierin mit dem      
  19 Pfarrer völlig einerlei Meinung, und die Recension ist selbst der beste      
  20 Beweis davon. Da er aber die Materialien zu einer Anthropologie ziemlich      
  21 zu kennen glaubt, imgleichen auch etwas von der Methode ihres Gebrauchs,      
  22 um eine Geschichte der Menschheit im Ganzen ihrer Bestimmung      
  23 zu versuchen: so ist er überzeugt, daß sie weder in der Metaphysik, noch im      
  24 Naturaliencabinet durch Vergleichung des Skelets des Menschen mit dem      
  25 von andern Thiergattungen aufgesucht werden müssen; am wenigsten aber      
  26 die letztere gar auf seine Bestimmung für eine andere Welt führe; sondern      
  27 daß sie allein in seinen Handlungen gefunden werden können, dadurch      
  28 er seinen Charakter offenbart; auch ist er überredet, daß Herr Herder      
  29 nicht einmal die Absicht gehabt habe, im ersten Theile seines Werks (der      
  30 nur eine Aufstellung des Menschen als Thiers im allgemeinen Natursystem      
  31 und also einen Prodromus der künftigen Ideen enthält) die wirklichen      
  32 Materialien zur Menschengeschichte zu liefern, sondern nur Gedanken,      
  33 die den Physiologen aufmerksam machen können, seine Nachforschungen,      
  34 die er gemeiniglich nur auf die mechanische Absicht des thierischen Baues      
           
     

[ Seite 055 ] [ Seite 057 ] [ Inhaltsverzeichnis ]