Kant: AA VIII, Recension von Schulz's ... , Seite 014

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 haben (ein vermessener Ausdruck), wenn du nicht eben so abgeschmackt      
  02 gehandelt hättest als der andere, wenn du nur in seinem Standorte gewesen      
  03 wärest." Allein da doch nach seinen eigenen Behauptungen die      
  04 größte Überzeugung in einem Zeitpunkte davor nicht sichern kann, da      
  05 nicht in einem anderen Zeitpunkte, wenn das Erkenntniß weiter fortgerückt      
  06 ist, die vorige Wahrheit hintennach Irrthum werde: wie würde es da mit      
  07 jener äußerst gewagten Betheurung aussehen? Er hat aber im Grunde      
  08 seiner Seele, obgleich er es sich selbst nicht gestehen wollte, voraus gesetzt:      
  09 daß der Verstand nach objectiven Gründen, die jederzeit gültig sind, sein      
  10 Urtheil zu bestimmen das Vermögen habe und nicht unter dem Mechanism      
  11 der blos subjectiv bestimmenden Ursachen, die sich in der Folge ändern      
  12 können, stehe; mithin nahm er immer Freiheit zu denken an, ohne welche es      
  13 keine Vernunft giebt. Eben so muß er auch Freiheit des Willens im Handeln      
  14 voraus setzen, ohne welche es keine Sitten giebt, wenn er in seinem, wie ich      
  15 nicht zweifle, rechtschaffenen Lebenswandel den ewigen Gesetzen der Pflicht      
  16 gemäß verfahren und nicht ein Spiel seiner Instincte und Neigungen      
  17 sein will, ob er schon zu gleicher Zeit sich selbst diese Freiheit abspricht,      
  18 weil er seine praktische Grundsätze mit den speculativen sonst nicht in Einstimmung      
  19 zu bringen vermag, woran aber, wenn es auch niemanden gelänge,      
  20 in der That nicht viel verloren sein würde.      
           
           
     

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