Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 321

   
         
 

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  01 würden, und da die Fruchtbarkeit in Paarungen durch die Heterogeneität    
  02 der Individuen aufgefrischt wird, die Fortpflanzung zum Stocken    
  03 gebracht werden würde. - So kommt nicht etwa die graue Haarfarbe    
  04 ( cendrçe ) von der Vermischung eines Brunetten mit einer Blondinen her,    
  05 sondern bezeichnet einen besonderen Familienschlag, und die Natur hat    
  06 Vorrath genug in sich, um nicht der Armuth ihrer vorräthigen Formen    
  07 halber einen Menschen in die Welt zu schicken, der schon ehemals drin gewesen    
  08 ist; wie denn auch die Naheit der Verwandtschaft notorisch auf Unfruchtbarkeit    
  09 hinwirkt.    
         
  10

E.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 602) ]    
  11

Der Charakter der Gattung.

   
         
  12 Von der Gattung gewisser Wesen einen Charakter anzugeben, dazu    
  13 wird erfordert: daß sie mit anderen, uns bekannten unter einen Begriff    
  14 gefaßt, das aber, wodurch sie sich von einander unterscheiden, als Eigenthümlichkeit    
  15 ( proprietas ) zum Unterscheidungsgrunde angegeben und gebraucht    
  16 wird. - Wenn aber eine Art von Wesen, die wir kennen (A), mit    
  17 einer andern Art Wesen (non A), die wir nicht kennen, verglichen wird:    
  18 wie kann man da erwarten oder verlangen, einen Charakter der ersteren    
  19 anzugeben, da uns der Mittelbegriff der Vergleichung ( tertium comparationis )    
  20 abgeht? - Der oberste Gattungsbegriff mag der eines irdischen    
  21 vernünftigen Wesens sein, so werden wir keinen Charakter desselben    
  22 nennen können, weil wir von vernünftigen, nicht-irdischen Wesen keine    
  23 Kenntniß haben, um ihre Eigenthümlichkeit angeben und so jene irdische    
  24 unter den vernünftigen überhaupt charakterisiren zu können. - Es scheint    
  25 also, das Problem, den Charakter der Menschengattung anzugeben, sei    
  26 schlechterdings unauflöslich: weil die Auflösung durch Vergleichung zweier    
  27 Species vernünftiger Wesen durch Erfahrung angestellt sein müßte,    
  28 welche die letztere uns nicht darbietet.    
         
  29 Es bleibt uns also, um den Menschen im System der lebenden Natur    
  30 seine Classe anzuweisen und so ihn zu charakterisiren, nichts übrig als:    
  31 daß er einen Charakter hat, den er sich selbst schafft, indem er vermögend    
  32 ist, sich nach seinen von ihm selbst genommenen Zwecken zu perfectioniren;    
  33 wodurch er als mit Vernunftfähigkeit begabtes Thier ( animal rationabile )    
  34 aus sich selbst ein vernünftiges Thier ( animal rationale ) machen    
  35 kann; - wo er dann: erstlich sich selbst und seine Art erhält, zweitens    
         
     

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