Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 488

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 aller Grenzen der rein=philosophischen Ethik hinaus, und das dient zur      
  02 Rechtfertigung des Verfassers des Gegenwärtigen, daß er zur Vollständigkeit      
  03 derselben nicht, wie es sonst wohl gewöhnlich war, die Religion, in      
  04 jenem Sinne gedacht, in die Ethik mit hinein gezogen hat.      
           
  05 Es kann zwar von einer "Religion innerhalb den Grenzen der      
  06 bloßen Vernunft," die aber nicht aus bloßer Vernunft abgeleitet, sondern      
  07 zugleich auf Geschichts= und Offenbarungslehren gegründet ist und die      
  08 nur die Übereinstimmung der reinen praktischen Vernunft mit denselben      
  09 (daß sie jener nicht widerstreite) enthält, die Rede sein. Aber alsdann      
  10 ist sie auch nicht reine, sondern auf eine vorliegende Geschichte angewandte      
  11 Religionslehre, für welche in einer Ethik, als reiner praktischen      
  12 Philosophie, kein Platz ist.      
           
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Schlußanmerkung.
     
           
  14 Alle moralische Verhältnisse vernünftiger Wesen, welche ein      
  15 Princip der Übereinstimmung des Willens des einen mit dem des      
  16 anderen enthalten, lassen sich auf Liebe und Achtung zurückführen      
  17 und, sofern dies Princip praktisch ist, der Bestimmungsgrund des      
  18 Willens in Ansehung der ersteren auf den Zweck, in Ansehung des      
  19 zweiten auf das Recht des Anderen. - Ist eines dieser Wesen ein      
  20 solches, was lauter Rechte und keine Pflichten gegen das andere hat      
  21 (Gott), hat mithin das andere gegen das erstere lauter Pflichten und      
  22 keine Rechte, so ist das Princip des moralischen Verhältnisses zwischen      
  23 ihnen transscendent (dagegen das der Menschen gegen Menschen,      
  24 deren Wille gegen einander wechselseitig einschränkend ist, ein      
  25 immanentes Princip hat).      
           
  26 Den göttlichen Zweck in Ansehung des menschlichen Geschlechts      
  27 (dessen Schöpfung und Leitung) kann man sich nicht anders denken,      
  28 als nur aus Liebe, d. i. daß er die Glückseligkeit der Menschen      
  29 sei. Das Princip des Willens Gottes aber in Ansehung der schuldigen      
  30 Achtung (Ehrfurcht), welche die Wirkung der ersteren einschränkt,      
  31 d. i. des göttlichen Rechts, kann kein anderes sein als das      
  32 der Gerechtigkeit. Man könnte sich (nach Menschenart) auch so      
  33 ausdrücken: Gott hat vernünftige Wesen erschaffen, gleichsam aus      
  34 dem Bedürfnisse etwas außer sich zu haben, was er lieben könne,      
  35 oder auch von dem er geliebt werde.      
           
           
     

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