Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 479 |
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01 | genommen, für die statutarische Religionslehre einen Katechism abzufassen | ||||||
02 | (und sich zugleich für ihn zu verbürgen); da man doch glauben | ||||||
03 | sollte, es wäre das Kleinste, was man aus dem großen Schatz ihrer Gelehrsamkeit | ||||||
04 | zu erwarten berechtigt wäre. | ||||||
05 | Dagegen hat ein moralischer Katechism, als Grundlehre der | ||||||
06 | Tugendpflichten, keine solche Bedenklichkeit oder Schwierigkeit, weil er aus | ||||||
07 | der gemeinen Menschenvernunft (seinem Inhalte nach) entwickelt werden | ||||||
08 | kann und nur den didaktischen Regeln der ersten Unterweisung (der Form | ||||||
09 | nach) angemessen werden darf. Das formale Princip eines solchen Unterrichts | ||||||
10 | aber verstattet zu diesem Zweck nicht die sokratisch=dialogische | ||||||
11 | Lehrart: weil der Schüler nicht einmal weiß, wie er fragen soll; der Lehrer | ||||||
12 | ist also allein der Fragende. Die Antwort aber, die er aus der Vernunft | ||||||
13 | des Lehrlings methodisch auslockt, muß in bestimmten, nicht leicht zu verändernden | ||||||
14 | Ausdrücken abgefaßt und aufbewahrt, mithin seinem Gedächtni | ||||||
15 | anvertraut werden: als worin die katechetische Lehrart sich sowohl | ||||||
16 | von der dogmatischen (da der Lehrer allein spricht), als auch der dialogischen | ||||||
17 | (da beide Theile einander fragend und antwortend sind) unterscheidet. | ||||||
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20 | Das Experimentale (technische) Mittel der Bildung zur Tugend | ||||||
21 | ist das gute Beispiel an dem Lehrer selbst (von exemplarischer Führung | ||||||
22 | zu sein) und das warnende an Andern; denn Nachahmung ist dem noch | ||||||
23 | ungebildeten Menschen die erste Willensbestimmung zu Annehmung von | ||||||
24 | Maximen, die er sich in der Folge macht. - Die Angewöhnung oder Abgewöhnung | ||||||
25 | ist die Begründung einer beharrlichen Neigung ohne alle | ||||||
26 | Maximen durch die öftere Befriedigung derselben; und ist ein Mechanism | ||||||
27 | der Sinnesart statt eines Princips der Denkungsart (wobei das Verlernen | ||||||
28 | in der Folge schwerer wird als das Erlernen). - Was aber | ||||||
29 | die Kraft des Exempels (es sei zum Guten oder Bösen) betrifft, was sich | ||||||
30 | dem Hange zur Nachahmung oder Warnung darbietet*), so kann das, | ||||||
*) Beispiel, ein deutsches Wort, was man gemeiniglich für Exempel als ihm gleichgeltend braucht, ist mit diesem nicht von einerlei Bedeutung. Woran ein Exempel nehmen und zur Verständlichkeit eines Ausdrucks ein Beispiel anführen, sind ganz verschiedene Begriffe. Das Exempel ist ein besonderer Fall von einer praktischen Regel, sofern diese die Thunlichkeit oder Unthunlichkeit einer Handlung vorstellt. Hingegen ein Beispiel ist nur das Besondere ( concretum ), als unter dem Allgemeinen | |||||||
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