Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 303

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 was auf öffentlichem, durchs Polizeigesetz geordnetem Markt jedermann      
  02 feil steht, wenn alle Regeln des Kaufs und Verkaufs genau beobachtet      
  03 worden, mein Eigenthum werde (so doch, daß dem wahren Eigenthümer      
  04 das Recht bleibt, den Verkäufer wegen seines ältern, unverwirkten Besitzes      
  05 in Anspruch zu nehmen), und mein sonst persönliches Recht in ein      
  06 Sachenrecht, nach welchem ich das Meine, wo ich es finde, nehmen (vindiciren)      
  07 darf, verwandelt wird, ohne mich auf die Art, wie der Verkäufer      
  08 dazu gekommen, einzulassen.      
           
  09 Es geschieht also nur zum Behuf des Rechtsspruchs vor einem Gerichtshofe      
  10 ( in favorem iustitiae distributivae ), daß das Recht in Ansehung      
  11 einer Sache nicht, wie es an sich ist (als ein persönliches), sondern wie      
  12 es am leichtesten und sichersten abgeurtheilt werden kann (als      
  13 Sachenrecht), doch nach einem reinen Princip a priori angenommen und      
  14 behandelt werde. - Auf diesem gründen sich nun nachher verschiedene      
  15 statutarische Gesetze (Verordnungen), die vorzüglich zur Absicht haben,      
  16 die Bedingungen, unter denen allein eine Erwerbungsart rechtskräftig      
  17 sein soll, so zu stellen, daß der Richter das Seine einem jeden am      
  18 leichtesten und unbedenklichsten zuerkennen könne: z. B. in dem      
  19 Satz: Kauf bricht Miethe, wo, was der Natur des Vertrags nach, d. i. an      
  20 sich, ein Sachenrecht ist, (die Miethe) für ein bloß persönliches und umgekehrt,      
  21 wie in dem obigen Fall, was an sich bloß ein persönliches Recht      
  22 ist, für ein Sachenrecht gilt; wenn die Frage ist, auf welche Principien      
  23 ein Gerichtshof im bürgerlichen Zustande anzuweisen sei, um in seinen      
  24 Aussprüchen wegen des einem jeden zustehenden Rechts am sichersten      
  25 zu gehen.      
           
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D.

     
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Von Erwerbung der Sicherheit durch Eidesablegung.

     
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( Cautio iuratoria. )

     
           
           
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§ 40.
     
           
  30 Man kann keinen anderen Grund angeben, der rechtlich Menschen      
  31 verbinden könnte, zu glauben und zu bekennen, daß es Götter gebe, als      
  32 den, damit sie einen Eid schwören und durch die Furcht vor einer allsehenden      
  33 obersten Macht, deren Rache sie feierlich gegen sich aufrufen      
  34 mußten, im Fall daß ihre Aussage falsch wäre, genöthigt werden könnten,      
  35 wahrhaft im Aussagen und treu im Versprechen zu sein. Daß man hiebei      
           
     

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