Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 218 |
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01 | technisch=, sondern blos moralisch=praktische Lehre verstehen, und | ||||||
02 | wenn die Fertigkeit der Willkür nach Freiheitsgesetzen im Gegensatze der | ||||||
03 | Natur hier auch Kunst genannt werden sollte, so würde darunter eine | ||||||
04 | solche Kunst verstanden werden müssen, welche ein System der Freiheit | ||||||
05 | gleich einem System der Natur möglich macht; fürwahr eine göttliche | ||||||
06 | Kunst, wenn wir im Stande wären, das, was uns die Vernunft vorschreibt, | ||||||
07 | vermittelst ihrer auch völlig auszuführen und die Idee davon ins | ||||||
08 | Werk zu richten. | ||||||
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11 | Zu aller Gesetzgebung (sie mag nun innere oder äußere Handlungen | ||||||
12 | und diese entweder a priori durch bloße Vernunft, oder durch die Willkür | ||||||
13 | eines andern vorschreiben) gehören zwei Stücke: erstlich ein Gesetz, | ||||||
14 | welches die Handlung, die geschehen soll, objectiv als nothwendig vorstellt, | ||||||
15 | d. i. welches die Handlung zur Pflicht macht, zweitens eine Triebfeder, | ||||||
16 | welche den Bestimmungsgrund der Willkür zu dieser Handlung | ||||||
17 | subjectiv mit der Vorstellung des Gesetzes verknüpft; mithin ist das | ||||||
18 | zweite Stück dieses: daß das Gesetz die Pflicht zur Triebfeder macht. | ||||||
19 | Durch das erstere wird die Handlung als Pflicht vorgestellt, welches ein | ||||||
20 | bloßes theoretisches Erkenntniß der möglichen Bestimmung der Willkür, | ||||||
21 | d. i. praktischer Regeln, ist: durch das zweite wird die Verbindlichkeit so | ||||||
22 | zu handeln mit einem Bestimmungsgrunde der Willkür überhaupt im | ||||||
23 | Subjecte verbunden. | ||||||
24 | Alle Gesetzgebung also (sie mag auch in Ansehung der Handlung, die | ||||||
25 | sie zur Pflicht macht, mit einer anderen übereinkommen, z. B. die Handlungen | ||||||
*) Die Deduction der Eintheilung eines Systems: d. i. der Beweis ihrer Vollständigkeit sowohl als auch der Stetigkeit, daß nämlich der Übergang vom eingetheilten Begriffe zum Gliede der Eintheilung in der ganzen Reihe der Untereintheilungen durch keinen Sprung ( divisio per saltum ) geschehe, ist eine der am schwersten zu erfüllenden Bedingungen für den Baumeister eines Systems. Auch was der oberste eingetheilte Begriff zu der Eintheilung Recht oder Unrecht ( aut fas aut nefas ) sei, hat seine Bedenklichkeit. Es ist der Act der freien Willkür überhaupt. So wie die Lehrer der Ontologie vom Etwas und Nichts zu oberst anfangen, ohne inne zu werden, daß dieses schon Glieder einer Eintheilung sind, dazu noch der eingetheilte Begriff fehlt, der kein anderer, als der Begriff von einem Gegenstande überhaupt sein kann. | |||||||
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