Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 211

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
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Einleitung

     
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in die Metaphysik der Sitten.

     
           
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I

     
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Von dem Verhältniß der Vermögen des menschlichen Gemüths

     
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zu den Sittengesetzen.

     
           
  06 Begehrungsvermögen ist das Vermögen durch seine Vorstellungen      
  07 Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. Das Vermögen      
  08 eines Wesens, seinen Vorstellungen gemäß zu handeln, heißt das      
  09 Leben.      
           
  10 Mit dem Begehren oder Verabscheuen ist erstlich jederzeit Lust      
  11 oder Unlust, deren Empfänglichkeit man Gefühl nennt, verbunden; aber      
  12 nicht immer umgekehrt. Denn es kann eine Lust geben, welche mit gar      
  13 keinem Begehren des Gegenstandes, sondern mit der bloßen Vorstellung,      
  14 die man sich von einem Gegenstande macht (gleichgültig, ob das Object      
  15 derselben existire oder nicht), schon verknüpft ist. Auch geht zweitens      
  16 nicht immer die Lust oder Unlust an dem Gegenstande des Begehrens vor      
  17 dem Begehren vorher und darf nicht allemal als Ursache, sondern kann      
  18 auch als Wirkung desselben angesehen werden.      
           
  19 Man nennt aber die Fähigkeit, Lust oder Unlust bei einer Vorstellung      
  20 zu haben, darum Gefühl, weil beides das blos Subjective im Verhältnisse      
  21 unserer Vorstellung und gar keine Beziehung auf ein Object zum      
  22 möglichen Erkenntnisse desselben*) (nicht einmal dem Erkenntnisse unseres      
           
    *) Man kann Sinnlichkeit durch das subjective unserer Vorstellungen überhaupt erklären; denn der Verstand bezieht allererst die Vorstellungen auf ein Object, d. i. er allein denkt sich etwas vermittelst derselben. Nun kann das Subjective unserer Vorstellung entweder von der Art sein, daß es auch auf ein Object zum Erkenntniß desselben (der Form oder Materie nach, da es im ersteren Falle reine Anschauung, im zweiten Empfindung heißt) bezogen werden kann; in diesem Fall ist die Sinnlichkeit, als Empfänglichkeit der gedachten Vorstellung, der Sinn. Oder [Seitenumbruch] das Subjective der Vorstellung kann gar kein Erkenntnißstück werden: weil es blos die Beziehung derselben aufs Subject und nichts zur Erkenntniß des Objects Brauchbares enthält; und alsdann heißt diese Empfänglichkeit der Vorstellung Gefühl, welches die Wirkung der Vorstellung (diese mag sinnlich oder intellectuell sein) aufs Subject enthält und zur Sinnlichkeit gehört, obgleich die Vorstellung selbst zum Verstande oder der Vernunft gehören mag.      
           
     

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