Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 176 |
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01 | gegründete Furcht abgenöthigt wurde, fing nicht sogleich mit einer Religion, | ||||||
02 | sondern von einem knechtischen Gottes= (oder Götzen=) Dienste an, | ||||||
03 | welcher, wenn er eine gewisse öffentlich=gesetzliche Form bekommen hatte, | ||||||
04 | ein Tempeldienst und nur, nachdem mit diesen Gesetzen allmählich die | ||||||
05 | moralische Bildung der Menschen verbunden worden, ein Kirchendienst | ||||||
06 | wurde: denen beiden ein Geschichtsglaube zum Grunde liegt, bis man | ||||||
07 | endlich diesen bloß für provisorisch und in ihm die symbolische Darstellung | ||||||
08 | und das Mittel der Beförderung eines reinen Religionsglaubens zu | ||||||
09 | sehen angefangen hat. | ||||||
10 | Von einem tungusischen Schaman bis zu dem Kirche und Staat | ||||||
11 | zugleich regierenden europäischen Prälaten, oder (wollen wir statt der | ||||||
12 | Häupter und Anführer nur auf die Glaubensanhänger nach ihrer eignen | ||||||
13 | Vorstellungsart sehen) zwischen dem ganz sinnlichen Wogulitzen, der | ||||||
14 | die Tatze von einem Bärenfell sich des Morgens auf sein Haupt legt mit | ||||||
15 | dem kurzen Gebet: "Schlag mich nicht todt!" bis zum sublimirten Puritaner | ||||||
16 | und Independenten in Connecticut ist zwar ein mächtiger | ||||||
17 | Abstand in der Manier, aber nicht im Princip zu glauben; denn was | ||||||
18 | dieses betrifft, so gehören sie insgesammt zu einer und derselben Klasse, | ||||||
19 | derer nämlich, die in dem, was an sich keinen bessern Menschen ausmacht, | ||||||
20 | (im Glauben gewisser statutarischer Sätze, oder Begehen gewisser willkürlicher | ||||||
21 | Observanzen) ihren Gottesdienst setzen. Diejenigen allein, die ihn | ||||||
22 | lediglich in der Gesinnung eines guten Lebenswandels zu finden gemeint | ||||||
23 | sind, unterscheiden sich von jenen durch den Überschritt zu einem ganz | ||||||
24 | andern und über das erste weit erhabenen Princip, demjenigen nämlich, | ||||||
25 | wodurch sie sich zu einer (unsichtbaren) Kirche bekennen, die alle Wohldenkende | ||||||
26 | in sich befaßt und ihrer wesentlichen Beschaffenheit nach allein | ||||||
27 | die wahre allgemeine sein kann. | ||||||
28 | Die unsichtbare Macht, welche über das Schicksal der Menschen gebietet, | ||||||
29 | zu ihrem Vortheil zu lenken, ist eine Absicht, die sie alle haben; nur | ||||||
30 | wie das anzufangen sei, darüber denken sie verschieden. Wenn sie jene | ||||||
31 | Macht für ein verständiges Wesen halten und ihr also einen Willen beilegen, | ||||||
32 | von dem sie ihr Loos erwarten, so kann ihr Bestreben nur in der | ||||||
33 | Auswahl der Art bestehen, wie sie als seinem Willen unterworfene Wesen | ||||||
34 | durch ihr Thun und Lassen ihm gefällig werden können. Wenn sie es als | ||||||
35 | moralisches Wesen denken, so überzeugen sie sich leicht durch ihre eigene | ||||||
36 | Vernunft, daß die Bedingung, sein Wohlgefallen zu erwerben, ihr moralisch | ||||||
37 | guter Lebenswandel, vornehmlich die reine Gesinnung als das subjective | ||||||
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