Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 096 |
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01 | Weh aber dem Gesetzgeber, der eine auf ethische Zwecke gerichtete | ||||||
02 | Verfassung durch Zwang bewirken wollte! Denn er würde dadurch nicht | ||||||
03 | allein gerade das Gegentheil der ethischen bewirken, sondern auch seine | ||||||
04 | politische untergraben und unsicher machen. - Der Bürger des politischen | ||||||
05 | gemeinen Wesens bleibt also, was die gesetzgebende Befugniß des letztern | ||||||
06 | betrifft, völlig frei: ob er mit andern Mitbürgern überdem auch in eine | ||||||
07 | ethische Vereinigung treten, oder lieber im Naturzustande dieser Art bleiben | ||||||
08 | wolle. Nur so fern ein ethisches gemeines Wesen doch auf öffentlichen | ||||||
09 | Gesetzen beruhen und eine darauf sich gründende Verfassung enthalten | ||||||
10 | muß, werden diejenigen, die sich freiwillig verbinden, in diesen Zustand | ||||||
11 | zu treten, sich von der politischen Macht nicht, wie sie solche innerlich | ||||||
12 | einrichten oder nicht einrichten sollen, befehlen, aber wohl Einschränkungen | ||||||
13 | gefallen lassen müssen, nämlich auf die Bedingung, daß darin nichts sei, | ||||||
14 | was der Pflicht ihrer Glieder als Staatsbürger widerstreite; wiewohl, | ||||||
15 | wenn die erstere Verbindung ächter Art ist, das letztere ohnedem nicht zu | ||||||
16 | besorgen ist. | ||||||
17 | Übrigens, weil die Tugendpflichten das ganze menschliche Geschlecht | ||||||
18 | angehen, so ist der Begriff eines ethischen gemeinen Wesens immer auf | ||||||
19 | das Ideal eines ganzen aller Menschen bezogen, und darin unterscheidet | ||||||
20 | es sich von dem eines politischen. Daher kann eine Menge in jener Absicht | ||||||
21 | vereinigter Menschen noch nicht das ethische gemeine Wesen selbst, sondern | ||||||
22 | nur eine besondere Gesellschaft heißen, die zur Einhelligkeit mit allen | ||||||
23 | Menschen (ja aller endlichen vernünftigen Wesen) hinstrebt, um ein absolutes | ||||||
24 | ethisches Ganze zu errichten, wovon jede partiale Gesellschaft nur | ||||||
25 | eine Vorstellung oder ein Schema ist, weil eine jede selbst wiederum im | ||||||
26 | Verhältniß auf andere dieser Art als im ethischen Naturzustande sammt | ||||||
27 | allen Unvollkommenheiten desselben befindlich vorgestellt werden kann (wie | ||||||
28 | es auch mit verschiedenen politischen Staaten, die in keiner Verbindung | ||||||
29 | durch ein öffentliches Völkerrecht stehen, eben so bewandt ist). | ||||||
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34 | So wie der juridische Naturzustand ein Zustand des Krieges von | ||||||
35 | jedermann gegen jedermann ist, so ist auch der ethische Naturzustand ein | ||||||
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