Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 067

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 muß, weil sie Pflicht ist. - Nun besteht die Schwierigkeit darin, wie die      
  02 Gesinnung für die That, welche jederzeit (nicht überhaupt, sondern in      
  03 jedem Zeitpunkte) mangelhaft ist, gelten könne. Die Auflösung derselben      
  04 aber beruht darauf: daß die letztere als ein continuirlicher Fortschritt von      
  05 mangelhaftem Guten zum Besseren ins Unendliche nach unserer Schätzung,      
  06 die wir in den Begriffen des Verhältnisses der Ursache und Wirkungen      
  07 unvermeidlich auf Zeitbedingungen eingeschränkt sind, immer mangelhaft      
  08 bleibt; so daß wir das Gute in der Erscheinung, d. i. der That nach, in      
  09 uns jederzeit als unzulänglich für ein heiliges Gesetz ansehen müssen;      
  10 seinen Fortschritt aber ins Unendliche zur Angemessenheit mit dem letzteren      
  11 wegen der Gesinnung, daraus er abgeleitet wird, die übersinnlich      
  12 ist, von einem Herzenskündiger in seiner reinen intellectuellen Anschauung      
  13 als ein vollendetes Ganze auch der That (dem Lebenswandel) nach beurtheilt      
  14 denken können*), und so der Mensch unerachtet seiner beständigen      
  15 Mangelhaftigkeit doch überhaupt Gott wohlgefällig zu sein erwarten      
  16 könne, in welchem Zeitpunkte auch sein Dasein abgebrochen werden möge.      
           
  17 Die zweite Schwierigkeit, welche sich hervorthut, wenn man den      
  18 zum Guten strebenden Menschen in Ansehung dieses moralischen Guten      
  19 selbst in Beziehung auf die göttliche Gütigkeit betrachtet, betrifft die      
  20 moralische Glückseligkeit, worunter hier nicht die Versicherung eines      
  21 immerwährenden Besitzes der Zufriedenheit mit seinem physischen Zustande      
  22 (Befreiung von Übeln und Genuß immer wachsender Vergnügen),      
  23 als der physischen Glückseligkeit, sondern von der Wirklichkeit und      
  24 Beharrlichkeit einer im Guten immer fortrückenden (nie daraus fallenden)      
  25 Gesinnung verstanden wird; denn das beständige "Trachten nach      
  26 dem Reiche Gottes", wenn man nur von der Unveränderlichkeit      
  27 einer solchen Gesinnung fest versichert wäre, würde eben so viel      
           
    *) Es muß nicht übersehen werden, daß hiermit nicht gesagt werden wolle: daß die Gesinnung die Ermangelung des Pflichtmäßigen, folglich das wirkliche Böse in dieser unendlichen Reihe zu vergüten dienen solle (vielmehr wird vorausgesetzt, daß die Gott wohlgefällige moralische Beschaffenheit des Menschen in ihr wirklich anzutreffen sei); sondern: daß die Gesinnung, welche die Stelle der Totalität dieser Reihe der ins Unendliche fortgesetzten Annäherung vertritt, nur den von dem Dasein eines Wesens in der Zeit überhaupt unzertrennlichen Mangel, nie ganz vollständig das zu sein, was man zu werden im Begriffe ist, ersetze; denn was die Vergütung der in diesem Fortschritte vorkommenden Übertretungen betrifft, so wird diese bei der Auflösung der dritten Schwierigkeit in Betrachtung gezogen werden.      
           
     

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