Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 008 |
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01 | Idee desselben zu ihrem Gebrauch verwenden. Was nur sofern wahrhaftig | ||||||
02 | verehrt werden kann, als die Achtung dafür frei ist, wird genöthigt, | ||||||
03 | sich nach solchen Formen zu bequemen, denen man nur durch Zwangsgesetze | ||||||
04 | Ansehen verschaffen kann, und was sich von selbst der öffentlichen Kritik | ||||||
05 | jedes Menschen bloßstellt, das muß sich einer Kritik, die Gewalt hat, | ||||||
06 | d. i. einer Censur, unterwerfen. | ||||||
07 | Indessen, da das Gebot: gehorche der Obrigkeit! doch auch moralisch | ||||||
08 | ist, und die Beobachtung desselben wie die von allen Pflichten zur Religion | ||||||
09 | gezogen werden kann, so geziemt einer Abhandlung, welche dem bestimmten | ||||||
10 | Begriffe der letztern gewidmet ist, selbst ein Beispiel dieses Gehorsams abzugeben, | ||||||
11 | der aber nicht durch die Achtsamkeit bloß auf das Gesetz einer | ||||||
12 | einzigen Anordnung im Staat und blind in Ansehung jeder andern, sondern | ||||||
13 | nur durch vereinigte Achtung für alle vereinigt bewiesen werden kann. | ||||||
14 | Nun kann der Bücher richtende Theolog entweder als ein solcher angestellt | ||||||
15 | sein, der blos für das Heil der Seelen, oder auch als ein solcher, der zugleich | ||||||
16 | für das Heil der Wissenschaften Sorge zu tragen hat: der erste | ||||||
17 | Richter bloß als Geistlicher, der zweite zugleich als Gelehrter. Dem letztern | ||||||
18 | als Gliede einer öffentlichen Anstalt, der (unter dem Namen einer | ||||||
19 | Universität) alle Wissenschaften zur Cultur und zur Verwahrung gegen | ||||||
20 | Beeinträchtigungen anvertraut sind, liegt es ob, die Anmaßungen des | ||||||
21 | erstern auf die Bedingung einzuschränken, daß seine Censur keine Zerstörung | ||||||
22 | im Felde der Wissenschaften anrichte, und wenn beide biblische Theologen | ||||||
23 | sind, so wird dem letztern als Universitätsgliede von derjenigen | ||||||
24 | Facultät, welcher diese Theologie abzuhandeln aufgetragen worden, die | ||||||
25 | Obercensur zukommen: weil, was die erste Angelegenheit (das Heil | ||||||
26 | der Seelen) betrifft, beide einerlei Auftrag haben; was aber die zweite | ||||||
27 | (das Heil der Wissenschaften) anlangt, der Theolog als Universitätsgelehrter | ||||||
28 | noch eine besondere Function zu verwalten hat. Geht man von | ||||||
29 | dieser Regel ab, so muß es endlich dahin kommen, wo es schon sonst (zum | ||||||
30 | Beispiel zur Zeit des Galileo) gewesen ist, nämlich daß der biblische | ||||||
31 | Theolog, um den Stolz der Wissenschaften zu demüthigen und sich selbst | ||||||
32 | die Bemühung mit denselben zu ersparen, wohl gar in die Astronomie | ||||||
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