Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 417

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Eben so wenig scheint sie aber auch in die Naturwissenschaft zu gehören,      
  02 welche bestimmender und nicht bloß reflectirender Principien bedarf,      
  03 um von Naturwirkungen objective Gründe anzugeben. In der That      
  04 ist auch für die Theorie der Natur, oder die mechanische Erklärung der      
  05 Phänomene derselben durch ihre wirkenden Ursachen dadurch nichts gewonnen,      
  06 daß man sie nach dem Verhältnisse der Zwecke zu einander betrachtet.      
  07 Die Aufstellung der Zwecke der Natur an ihren Producten, so      
  08 fern sie ein System nach teleologischen Begriffen ausmachen, ist eigentlich      
  09 nur zur Naturbeschreibung gehörig, welche nach einem besondern Leitfaden      
  10 abgefaßt ist: wo die Vernunft zwar ein herrliches unterrichtendes      
  11 und praktisch in mancherlei Absicht zweckmäßiges Geschäft verrichtet, aber      
  12 über das Entstehen und die innere Möglichkeit dieser Formen gar keinen      
  13 Aufschluß giebt, worum es doch der theoretischen Naturwissenschaft      
  14 eigentlich zu thun ist.      
           
  15 Die Teleologie als Wissenschaft gehört also zu gar keiner Doctrin,      
  16 sondern nur zur Kritik und zwar eines besondern Erkenntnißvermögens,      
  17 nämlich der Urtheilskraft. Aber so fern sie Principien a priori enthält,      
  18 kann und muß sie die Methode, wie über die Natur nach dem Princip der      
  19 Endursachen geurtheilt werden müsse, angeben; und so hat ihre Methodenlehre      
  20 wenigstens negativen Einfluß auf das Verfahren in der theoretischen      
  21 Naturwissenschaft und auch auf das Verhältniß, welches diese in der      
  22 Metaphysik zur Theologie als Propädeutik derselben haben kann.      
           
  23

§ 80.

     
  24

Von der nothwendigen Unterordnung des Princips des

     
  25

Mechanisms unter dem teleologischen in Erklärung eines

     
  26

Dinges als Naturzwecks.

     
           
  27 Die Befugniß auf eine bloß mechanische Erklärungsart aller Naturproducte      
  28 auszugehen ist an sich ganz unbeschränkt; aber das Vermögen      
  29 damit allein auszulangen ist nach der Beschaffenheit unseres      
  30 Verstandes, sofern er es mit Dingen als Naturzwecken zu thun hat, nicht      
  31 allein sehr beschränkt, sondern auch deutlich begränzt: nämlich so, daß      
  32 nach einem Princip der Urtheilskraft durch das erstere Verfahren allein      
  33 zur Erklärung der letzteren gar nichts ausgerichtet werden könne, mithin      
  34 die Beurtheilung solcher Producte jederzeit von uns zugleich einem teleologischen      
  35 Princip untergeordnet werden müsse.      
           
           
     

[ Seite 416 ] [ Seite 418 ] [ Inhaltsverzeichnis ]