Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 410

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Wirkungen zur Möglichkeit eines solchen Gegenstandes für die Urtheilskraft      
  02 ganz unentbehrlich ist, selbst um diese nur am Leitfaden der Erfahrung      
  03 zu studieren; wenn für äußere Gegenstände als Erscheinungen ein      
  04 sich auf Zwecke beziehender hinreichender Grund gar nicht angetroffen      
  05 werden kann, sondern dieser, der auch in der Natur liegt, doch nur im      
  06 übersinnlichen Substrat derselben gesucht werden muß, von welchem uns      
  07 aber alle mögliche Einsicht abgeschnitten ist: so ist es uns schlechterdings      
  08 unmöglich, aus der Natur selbst hergenommene Erklärungsgründe für      
  09 Zweckverbindungen zu schöpfen, und es ist nach der Beschaffenheit des      
  10 menschlichen Erkenntnißvermögens nothwendig, den obersten Grund dazu      
  11 in einem ursprünglichen Verstande als Weltursache zu suchen.      
           
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§ 78.

     
  13

Von der Vereinigung des Princips des allgemeinen

     
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Mechanismus der Materie mit dem teleologischen in der

     
  15

Technik der Natur.

     
           
  16 Es liegt der Vernunft unendlich viel daran, den Mechanism der Natur      
  17 in ihren Erzeugungen nicht fallen zu lassen und in der Erklärung derselben      
  18 nicht vorbei zu gehen: weil ohne diesen keine Einsicht in die Natur      
  19 der Dinge erlangt werden kann. Wenn man uns gleich einräumt: daß      
  20 ein höchster Architekt die Formen der Natur, so wie sie von je her da sind,      
  21 unmittelbar geschaffen, oder die, welche sich in ihrem Laufe continuirlich      
  22 nach eben demselben Muster bilden, prädeterminirt habe: so ist doch dadurch      
  23 unsere Erkenntniß der Natur nicht im mindesten gefördert: weil wir      
  24 jenes Wesens Handlungsart und die Ideen desselben, welche die Principien      
  25 der Möglichkeit der Naturwesen enthalten sollen, gar nicht kennen      
  26 und von demselben als von oben herab (a priori) die Natur nicht erklären      
  27 können. Wollen wir aber von den Formen der Gegenstände der Erfahrung,      
  28 also von unten hinauf (a posteriori), weil wir in diesen Zweckmäßigkeit      
  29 anzutreffen glauben, um diese zu erklären, uns auf eine nach Zwecken      
  30 wirkende Ursache berufen: so würden wir ganz tautologisch erklären und      
  31 die Vernunft mit Worten täuschen, ohne noch zu erwähnen: daß da, wo      
  32 wir uns mit dieser Erklärungsart ins Überschwengliche verlieren, wohin      
  33 uns die Naturerkenntniß nicht folgen kann, die Vernunft dichterisch zu      
  34 schwärmen verleitet wird, welches zu verhüten eben ihre vorzüglichste Bestimmung      
  35 ist.      
           
           
     

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