Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 393 |
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| 01 | daß sie absichtlich zu dieser ihrer zweckmäßigen Hervorbringung bestimmt, | ||||||
| 02 | oder mit anderen Worten ein Zweck die Ursache sei. Dieses ist die Erklärungsart | ||||||
| 03 | Epikurs, nach welcher der Unterschied einer Technik der Natur | ||||||
| 04 | von der bloßen Mechanik gänzlich abgeläugnet wird, und nicht allein für | ||||||
| 05 | die Übereinstimmung der erzeugten Producte mit unsern Begriffen vom | ||||||
| 06 | Zwecke, mithin für die Technik, sondern selbst für die Bestimmung der | ||||||
| 07 | Ursachen dieser Erzeugung nach Bewegungsgesetzen, mithin ihre Mechanik | ||||||
| 08 | der blinde Zufall zum Erklärungsgrunde angenommen, also nichts, auch | ||||||
| 09 | nicht einmal der Schein in unserm teleologischen Urtheile erklärt, mithin | ||||||
| 10 | der vorgebliche Idealism in demselben keineswegs dargethan wird. | ||||||
| 11 | Andererseits will Spinoza uns aller Nachfrage nach dem Grunde | ||||||
| 12 | der Möglichkeit der Zwecke der Natur dadurch überheben und dieser Idee | ||||||
| 13 | alle Realität nehmen, daß er sie überhaupt nicht für Producte, sondern | ||||||
| 14 | für einem Urwesen inhärirende Accidenzen gelten läßt und diesem Wesen, | ||||||
| 15 | als Substrat jener Naturdinge, in Ansehung derselben nicht Causalität, | ||||||
| 16 | sondern bloß Subsistenz beilegt und (wegen der unbedingten Nothwendigkeit | ||||||
| 17 | desselben sammt allen Naturdingen, als ihm inhärirenden Accidenzen) | ||||||
| 18 | den Naturformen zwar die Einheit des Grundes, die zu aller | ||||||
| 19 | Zweckmäßigkeit erforderlich ist, sichert, aber zugleich die Zufälligkeit derselben, | ||||||
| 20 | ohne die keine Zweckeinheit gedacht werden kann, entreißt und | ||||||
| 21 | mit ihr alles Absichtliche, so wie dem Urgrunde der Naturdinge allen | ||||||
| 22 | Verstand wegnimmt. | ||||||
| 23 | Der Spinozism leistet aber das nicht, was er will. Er will einen | ||||||
| 24 | Erklärungsgrund der Zweckverknüpfung (die er nicht läugnet) der Dinge | ||||||
| 25 | der Natur angeben und nennt bloß die Einheit des Subjects, dem sie alle | ||||||
| 26 | inhäriren. Aber wenn man ihm auch diese Art zu existiren für die Weltwesen | ||||||
| 27 | einräumt, so ist doch jene ontologische Einheit darum noch nicht | ||||||
| 28 | sofort Zweckeinheit und macht diese keinesweges begreiflich. Die letztere | ||||||
| 29 | ist nämlich eine ganz besondere Art derselben, die aus der Verknüpfung | ||||||
| 30 | der Dinge (Weltwesen) in einem Subjecte (dem Urwesen) gar nicht folgt, | ||||||
| 31 | sondern durchaus die Beziehung auf eine Ursache, die Verstand hat, | ||||||
| 32 | bei sich führt und selbst, wenn man alle diese Dinge in einem einfachen | ||||||
| 33 | Subjecte vereinigte, doch niemals eine Zweckbeziehung darstellt: wofern | ||||||
| 34 | man unter ihnen nicht erstlich innere Wirkungen der Substanz als | ||||||
| 35 | einer Ursache, zweitens eben derselben als Ursache durch ihren Verstand | ||||||
| 36 | denkt. Ohne diese formalen Bedingungen ist alle Einheit bloße | ||||||
| 37 | Naturnothwendigkeit und, wird sie gleichwohl Dingen beigelegt, die wir | ||||||
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