Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 377

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Denn dieser Begriff führt die Vernunft in eine ganz andere Ordnung      
  02 der Dinge, als die eines bloßen Mechanisms der Natur, der uns hier nicht      
  03 mehr genug thun will. Eine Idee soll der Möglichkeit des Naturproducts      
  04 zum Grunde liegen. Weil diese aber eine absolute Einheit der Vorstellung      
  05 ist, statt daß die Materie eine Vielheit der Dinge ist, die für sich      
  06 keine bestimmte Einheit der Zusammensetzung an die Hand geben kann:      
  07 so muß, wenn jene Einheit der Idee sogar als Bestimmungsgrund a priori      
  08 eines Naturgesetzes der Causalität einer solchen Form des Zusammengesetzten      
  09 dienen soll, der Zweck der Natur auf Alles, was in ihrem Producte      
  10 liegt, erstreckt werden. Denn wenn wir einmal dergleichen Wirkung      
  11 im Ganzen auf einen übersinnlichen Bestimmungsgrund über den      
  12 blinden Mechanism der Natur hinaus beziehen, müssen wir sie auch ganz      
  13 nach diesem Princip beurtheilen; und es ist kein Grund da, die Form      
  14 eines solchen Dinges noch zum Theil vom letzteren als abhängig anzunehmen,      
  15 da alsdann bei der Vermischung ungleichartiger Principien gar      
  16 keine sichere Regel der Beurtheilung übrig bleiben würde.      
           
  17 Es mag immer sein, daß z. B. in einem thierischen Körper manche      
  18 Theile als Concretionen nach bloß mechanischen Gesetzen begriffen werden      
  19 könnten (als Häute, Knochen, Haare). Doch muß die Ursache, welche die      
  20 dazu schickliche Materie herbeischafft, diese so modificirt, formt und an      
  21 ihren gehörigen Stellen absetzt, immer teleologisch beurtheilt werden, so      
  22 daß alles in ihm als organisirt betrachtet werden muß, und alles auch in      
  23 gewisser Beziehung auf das Ding selbst wiederum Organ ist.      
           
  24

§ 67.

     
  25

Vom Princip der teleologischen Beurtheilung der Natur

     
  26

überhaupt als System der Zwecke.

     
           
  27 Wir haben oben von der äußeren Zweckmäßigkeit der Naturdinge      
  28 gesagt: daß sie keine hinreichende Berechtigung gebe, sie zugleich als      
  29 Zwecke der Natur zu Erklärungsgründen ihres Daseins und die zufällig      
  30 zweckmäßigen Wirkungen derselben in der Idee zu Gründen ihres Daseins      
  31 nach dem Princip der Endursachen zu brauchen. So kann man die      
  32 Flüsse, weil sie die Gemeinschaft im innern der Länder unter Völkern      
  33 befördern, die Gebirge, weil sie zu diesen die Quellen und zur Erhaltung      
  34 derselben den Schneevorrath für regenlose Zeiten enthalten, imgleichen      
  35 den Abhang der Länder, der diese Gewässer abführt und das Land      
           
     

[ Seite 376 ] [ Seite 378 ] [ Inhaltsverzeichnis ]