Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 374 |
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Text (Kant):
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| 01 | aber nicht genug ist (denn er könnte auch Werkzeug der Kunst sein und | ||||||
| 02 | so nur als Zweck überhaupt möglich vorgestellt werden); sondern als ein | ||||||
| 03 | die andern Theile (folglich jeder den andern wechselseitig) hervorbringendes | ||||||
| 04 | Organ, dergleichen kein werkzeug der Kunst, sondern nur der | ||||||
| 05 | allen Stoff zu Werkzeugen (selbst denen der Kunst) liefernden Natur sein | ||||||
| 06 | kann: und nur dann und darum wird ein solches Product, als organisirtes | ||||||
| 07 | und sich selbst organisirendes Wesen, ein Naturzweck genannt | ||||||
| 08 | werden können. | ||||||
| 09 | In einer Uhr ist ein Theil das Werkzeug der Bewegung der andern, | ||||||
| 10 | aber nicht ein Rad die wirkende Ursache der Hervorbringung des andern; | ||||||
| 11 | ein Theil ist zwar um des andern Willen, aber nicht durch denselben da. | ||||||
| 12 | Daher ist auch die hervorbringende Ursache derselben und ihrer Form | ||||||
| 13 | nicht in der Natur (dieser Materie), sondern außer ihr in einem Wesen, | ||||||
| 14 | welches nach Ideen eines durch seine Causalität möglichen Ganzen wirken | ||||||
| 15 | kann, enthalten. Daher bringt auch nicht ein Rad in der Uhr das andere, | ||||||
| 16 | noch weniger eine Uhr andere Uhren hervor, so daß sie andere Materie | ||||||
| 17 | dazu benutzte (sie organisirte); daher ersetzt sie auch nicht von selbst die | ||||||
| 18 | ihr entwandten Theile, oder vergütet ihren Mangel in der ersten Bildung | ||||||
| 19 | durch den Beitritt der übrigen, oder bessert sich etwa selbst aus, wenn sie | ||||||
| 20 | in Unordnung gerathen ist: welches alles wir dagegen von der organisirten | ||||||
| 21 | Natur erwarten können. - Ein organisirtes Wesen ist also nicht bloß | ||||||
| 22 | Maschine: denn die hat lediglich bewegende Kraft; sondern es besitzt | ||||||
| 23 | in sich bildende Kraft und zwar eine solche, die es den Materien mittheilt, | ||||||
| 24 | welche sie nicht haben (sie organisirt): also eine sich fortpflanzende | ||||||
| 25 | bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermögen allein (den | ||||||
| 26 | Mechanism) nicht erklärt werden kann. | ||||||
| 27 | Man sagt von der Natur und ihrem Vermögen in organisirten | ||||||
| 28 | Producten bei weitem zu wenig, wenn man dieses ein Analogon der | ||||||
| 29 | Kunst nennt; denn da denkt man sich den Künstler (ein vernünftiges | ||||||
| 30 | Wesen) außer ihr. Sie organisirt sich vielmehr selbst und in jeder Species | ||||||
| 31 | ihrer organisirten Producte, zwar nach einerlei Exemplar im Ganzen, | ||||||
| 32 | aber doch auch mit schicklichen Abweichungen, die die Selbsterhaltung nach | ||||||
| 33 | den Umständen erfordert. Näher tritt man vielleicht dieser unerforschlichen | ||||||
| 34 | Eigenschaft, wenn man sie ein Analogon des Lebens nennt: aber da | ||||||
| 35 | muß man entweder die Materie als bloße Materie mit einer Eigenschaft | ||||||
| 36 | (Hylozoism) begaben, die ihrem Wesen widerstreitet; oder ihr ein fremdartiges | ||||||
| 37 | mit ihr in Gemeinschaft stehendes Princip (eine Seele) beigesellen: | ||||||
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