Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 264 |
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01 | seines Zorns ansieht, erhoben wird. Selbst die Demuth als unnachsichtliche | ||||||
02 | Beurtheilung seiner Mängel, die sonst beim Bewußtsein guter | ||||||
03 | Gesinnungen leicht mit der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur bemäntelt | ||||||
04 | werden könnten, ist eine erhabene Gemüthsstimmung, sich willkürlich | ||||||
05 | dem Schmerze der Selbstverweise zu unterwerfen, um die Ursache dazu | ||||||
06 | nach und nach zu vertilgen. Auf solche Weise allein unterscheidet sich innerlich | ||||||
07 | Religion von Superstition, welche letztere nicht Ehrfurcht für das | ||||||
08 | Erhabene, sondern Furcht und Angst vor dem übermächtigen Wesen, dessen | ||||||
09 | Willen der erschreckte Mensch sich unterworfen sieht, ohne ihn doch hochzuschätzen, | ||||||
10 | im Gemüthe gründet: woraus denn freilich nichts als Gunstbewerbung | ||||||
11 | und Einschmeichelung statt einer Religion des guten Lebenswandels | ||||||
12 | entspringen kann. | ||||||
13 | Also ist die Erhabenheit in keinem Dinge der Natur, sondern nur in | ||||||
14 | unserm Gemüthe enthalten, sofern wir der Natur in uns und dadurch auch | ||||||
15 | der Natur (sofern sie auf uns einfließt) außer uns überlegen zu sein uns | ||||||
16 | bewußt werden können. Alles, was dieses Gefühl in uns erregt, wozu die | ||||||
17 | Macht der Natur gehört, welche unsere Kräfte auffordert, heißt alsdann | ||||||
18 | (obzwar uneigentlich) erhaben; und nur unter der Voraussetzung dieser | ||||||
19 | Idee in uns und in Beziehung auf sie sind wir fähig, zur Idee der Erhabenheit | ||||||
20 | desjenigen Wesens zu gelangen, welches nicht bloß durch seine | ||||||
21 | Macht, die es in der Natur beweiset, innige Achtung in uns wirkt, sondern | ||||||
22 | noch mehr durch das Vermögen, welches in uns gelegt ist, jene ohne | ||||||
23 | Furcht zu beurtheilen und unsere Bestimmung als über dieselbe erhaben | ||||||
24 | zu denken. | ||||||
25 | § 29. |
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26 | Von der Modalität des Urtheils über das Erhabene |
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27 | der Natur. |
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28 | Es giebt unzählige Dinge der schönen Natur, worüber wir Einstimmigkeit | ||||||
29 | des Urtheils mit dem unsrigen jedermann geradezu ansinnen und | ||||||
30 | auch, ohne sonderlich zu fehlen, erwarten können; aber mit unserm Urtheile | ||||||
31 | über das Erhabene in der Natur können wir uns nicht so leicht Eingang | ||||||
32 | bei andern versprechen. Denn es scheint eine bei weitem größere | ||||||
33 | Cultur nicht bloß der ästhetischen Urtheilskraft, sondern auch der Erkenntnißvermögen, | ||||||
34 | die ihr zum Grunde liegen, erforderlich zu sein, um über | ||||||
35 | diese Vorzüglichkeit der Naturgegenstände ein Urtheil fällen zu können. | ||||||
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