Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 249 |
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01 | Weil aber in einem Urtheile, wodurch etwas schlechtweg als groß bezeichnet | ||||||
02 | wird, nicht bloß gesagt werden will, daß der Gegenstand eine | ||||||
03 | Größe habe, sondern diese ihm zugleich vorzugsweise vor vielen andern | ||||||
04 | gleicher Art beigelegt wird, ohne doch diesen Vorzug bestimmt anzugeben: | ||||||
05 | so wird demselben allerdings ein Maßstab zum Grunde gelegt, den man | ||||||
06 | für jedermann als eben denselben annehmen zu können voraussetzt, der | ||||||
07 | aber zu keiner logischen (mathematisch=bestimmten), sondern nur ästhetischen | ||||||
08 | Beurtheilung der Größe brauchbar ist, weil er ein bloß subjectiv | ||||||
09 | dem über Größe reflectirenden Urtheile zum Grunde liegender Maßstab | ||||||
10 | ist. Er mag übrigens empirisch sein, wie etwa die mittlere Größe der | ||||||
11 | uns bekannten Menschen, Thiere von gewisser Art, Bäume, Häuser, Berge | ||||||
12 | u. d. gl.; oder ein a priori gegebener Maßstab, der durch die Mängel des | ||||||
13 | beurtheilenden Subjects auf subjective Bedingungen der Darstellung in | ||||||
14 | concreto eingeschränkt ist: als im Praktischen die Größe einer gewissen Tugend, | ||||||
15 | oder der öffentlichen Freiheit und Gerechtigkeit in einem Lande; | ||||||
16 | oder im theoretischen die Größe der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer | ||||||
17 | gemachten Observation oder Messung u. d. gl. | ||||||
18 | Hier ist nun merkwürdig: daß, wenn wir gleich am Objecte gar kein | ||||||
19 | Interesse haben, d. i. die Existenz desselben uns gleichgültig ist, doch die | ||||||
20 | bloße Größe desselben, selbst wenn es als formlos betrachtet wird, ein | ||||||
21 | Wohlgefallen bei sich führen könne, das allgemein mittheilbar ist, mithin | ||||||
22 | Bewußtsein einer subjectiven Zweckmäßigkeit im Gebrauche unsrer Erkenntnißvermögen | ||||||
23 | enthält; aber nicht etwa ein Wohlgefallen am Objecte, wie | ||||||
24 | beim Schönen (weil es formlos sein kann), wo die reflectirende Urtheilskraft | ||||||
25 | sich in Beziehung auf das Erkenntniß überhaupt zweckmäßig gestimmt | ||||||
26 | findet, sondern an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich | ||||||
27 | selbst. | ||||||
28 | Wenn wir (unter der obgenannten Einschränkung) von einem Gegenstande | ||||||
29 | schlechtweg sagen, er sei groß: so ist dies kein mathematisch=bestimmendes, | ||||||
30 | sondern ein bloßes Reflexionsurtheil über die Vorstellung | ||||||
31 | desselben, die für einen gewissen Gebrauch unserer Erkenntnißkräfte in der | ||||||
32 | Größenschätzung subjectiv zweckmäßig ist; und wir verbinden alsdann mit | ||||||
33 | der Vorstellung jederzeit eine Art von Achtung, so wie mit dem, was wir | ||||||
34 | schlechtweg klein nennen, eine Verachtung. Übrigens geht die Beurtheilung | ||||||
35 | der Dinge als groß oder klein auf alles, selbst auf alle Beschaffenheiten | ||||||
36 | derselben; daher wir selbst die Schönheit groß oder klein nennen: wovon | ||||||
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