Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 240 |
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01 | Ob es in der That einen solchen Gemeinsinn als constitutives Princip der | ||||||
02 | Möglichkeit der Erfahrung gebe, oder ein noch höheres Princip der Vernunft | ||||||
03 | es uns nur zum regulativen Princip mache, allererst einen Gemeinsinn | ||||||
04 | zu höhern Zwecken in uns hervorzubringen; ob also Geschmack ein | ||||||
05 | ursprüngliches und natürliches, oder nur die Idee von einem noch zu erwerbenden | ||||||
06 | und künstlichen Vermögen sei, so daß ein Geschmacksurtheil | ||||||
07 | mit seiner Zumuthung einer allgemeinen Beistimmung in der That nur | ||||||
08 | eine Vernunftforderung sei, eine solche Einhelligkeit der Sinnesart hervorzubringen, | ||||||
09 | und das Sollen, d. i. die objective Nothwendigkeit des Zusammenfließens | ||||||
10 | des Gefühls von jedermann mit jedes seinem besondern, | ||||||
11 | nur die Möglichkeit hierin einträchtig zu werden bedeute, und das Geschmacksurtheil | ||||||
12 | nur von Anwendung dieses Princips ein Beispiel aufstelle: | ||||||
13 | das wollen und können wir hier noch nicht untersuchen, sondern haben für | ||||||
14 | jetzt nur das Geschmacksvermögen in seine Elemente aufzulösen und sie zuletzt | ||||||
15 | in der Idee eines Gemeinsinns zu vereinigen. | ||||||
16 | Aus dem vierten Moment gefolgerte Erklärung |
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17 | vom Schönen. |
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18 | Schön ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines nothwendigen | ||||||
19 | Wohlgefallens erkannt wird. | ||||||
20 | Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitte der Analytik. |
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21 | Wenn man das Resultat aus den obigen Zergliederungen zieht, so | ||||||
22 | findet sich, daß alles auf den Begriff des Geschmacks herauslaufe: daß er | ||||||
23 | ein Beurtheilungsvermögen eines Gegenstandes in Beziehung auf die | ||||||
24 | freie Gesetzmäßigkeit der Einbildungskraft sei. Wenn nun im Geschmacksurtheile | ||||||
25 | die Einbildungskraft in ihrer Freiheit betrachtet werden | ||||||
26 | muß, so wird sie erstlich nicht reproductiv, wie sie den Associationsgesetzen | ||||||
27 | unterworfen ist, sondern als productiv und selbstthätig (als Urheberin | ||||||
28 | willkürlicher Formen möglicher Anschauungen) angenommen; und ob sie | ||||||
29 | zwar bei der Auffassung eines gegebenen Gegenstandes der Sinne an eine | ||||||
30 | bestimmte Form dieses Objects gebunden ist und sofern kein freies Spiel | ||||||
31 | (wie im Dichten) hat, so läßt sich doch noch wohl begreifen: daß der Gegenstand | ||||||
32 | ihr gerade eine solche Form an die Hand geben könne, die eine | ||||||
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