Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 215 |
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Text (Kant):
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| 01 | wenn man nur dazusetzt objective Allgemeingültigkeit zum Unterschiede | ||||||
| 02 | von der bloß subjectiven, welche allemal ästhetisch ist.) | ||||||
| 03 | Nun ist ein objectiv allgemeingültiges Urtheil auch jederzeit | ||||||
| 04 | subjectiv, d. i. wenn das Urtheil für alles, was unter einem gegebenen | ||||||
| 05 | Begriffe enthalten ist, gilt, so gilt es auch für jedermann, der sich einen | ||||||
| 06 | Gegenstand durch diesen Begriff vorstellt. Aber von einer subjectiven | ||||||
| 07 | Allgemeingültigkeit, d. i. der ästhetischen, die auf keinem Begriffe | ||||||
| 08 | beruht, läßt sich nicht auf die logische schließen: weil jene Art Urtheile gar | ||||||
| 09 | nicht auf das Object geht. Eben darum aber muß auch die ästhetische | ||||||
| 10 | Allgemeinheit, die einem Urtheile beigelegt wird, von besonderer Art sein, | ||||||
| 11 | weil sie das Prädicat der Schönheit nicht mit dem Begriffe des Objects, | ||||||
| 12 | in seiner ganzen logischen Sphäre betrachtet, verknüpft und doch eben dasselbe | ||||||
| 13 | über die ganze Sphäre der Urtheilenden ausdehnt. | ||||||
| 14 | In Ansehung der logischen Quantität sind alle Geschmacksurtheile | ||||||
| 15 | einzelne Urtheile. Denn weil ich den Gegenstand unmittelbar an mein | ||||||
| 16 | Gefühl der Lust und Unlust halten muß und doch nicht durch Begriffe, so | ||||||
| 17 | können jene nicht die Quantität objectiv=gemeingültiger Urtheile haben; | ||||||
| 18 | obgleich, wenn die einzelne Vorstellung des Objects des Geschmacksurtheils | ||||||
| 19 | nach den Bedingungen, die das letztere bestimmen, durch Vergleichung in | ||||||
| 20 | einen Begriff verwandelt wird, ein logisch allgemeines Urtheil daraus | ||||||
| 21 | werden kann: z. B. die Rose, die ich anblicke, erkläre ich durch ein Geschmacksurtheil | ||||||
| 22 | für schön. Dagegen ist das Urtheil, welches durch Vergleichung | ||||||
| 23 | vieler einzelnen entspringt: die Rosen überhaupt sind schön, nunmehr | ||||||
| 24 | nicht bloß als ästhetisches, sondern als ein auf einem ästhetischen | ||||||
| 25 | gegründetes logisches Urtheil ausgesagt. Nun ist das Urtheil: die Rose | ||||||
| 26 | ist (im Geruche) angenehm, zwar auch ein ästhetisches und einzelnes, aber | ||||||
| 27 | kein Geschmacks=, sondern ein Sinnenurtheil. Es unterscheidet sich nämlich | ||||||
| 28 | vom ersteren darin: daß das Geschmacksurtheil eine ästhetische | ||||||
| 29 | Quantität der Allgemeinheit, d. i. der Gültigkeit für jedermann, bei sich | ||||||
| 30 | führt, welche im Urtheile über das Angenehme nicht angetroffen werden | ||||||
| 31 | kann. Nur allein die Urtheile über das Gute, ob sie gleich auch das Wohlgefallen | ||||||
| 32 | an einem Gegenstande bestimmen, haben logische, nicht bloß ästhetische | ||||||
| 33 | Allgemeinheit; denn sie gelten vom Object, als Erkenntnisse desselben, | ||||||
| 34 | und darum für jedermann. | ||||||
| 35 | Wenn man Objecte bloß nach Begriffen beurtheilt, so geht alle Vorstellung | ||||||
| 36 | der Schönheit verloren. Also kann es auch keine Regel geben, nach | ||||||
| 37 | der jemand genöthigt werden sollte, etwas für schön anzuerkennen. Ob | ||||||
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