Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 051 |
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01 | Ursache ist ein Begriff, der die Nothwendigkeit der Verknüpfung der | ||||||
02 | Existenz des Verschiedenen und zwar, so fern es verschieden ist, enthält, so | ||||||
03 | daß, wenn A gesetzt wird, ich erkenne, daß etwas davon ganz Verschiedenes, | ||||||
04 | B, nothwendig auch existiren müsse. Nothwendigkeit kann aber nur | ||||||
05 | einer Verknüpfung beigelegt werden, so fern sie a priori erkannt wird; | ||||||
06 | denn die Erfahrung würde von einer Verbindung nur zu erkennen geben, | ||||||
07 | daß sie sei, aber nicht, daß sie so nothwendigerweise sei. Nun ist es, sagt | ||||||
08 | er, unmöglich, die Verbindung, die zwischen einem Dinge und einem anderen | ||||||
09 | (oder einer Bestimmung und einer anderen, ganz von ihr verschiedenen), | ||||||
10 | wenn sie nicht in der Wahrnehmung gegeben werden, a priori und | ||||||
11 | als nothwendig zu erkennen. Also ist der Begriff einer Ursache selbst lügenhaft | ||||||
12 | und betrügerisch und ist, am gelindesten davon zu reden, eine so fern | ||||||
13 | noch zu entschuldigende Täuschung, da die Gewohnheit (eine subjective | ||||||
14 | Nothwendigkeit), gewisse Dinge oder ihre Bestimmungen öfters neben oder | ||||||
15 | nach einander ihrer Existenz nach als sich beigesellt wahrzunehmen, unvermerkt | ||||||
16 | für eine objective Nothwendigkeit, in den Gegenständen selbst | ||||||
17 | eine solche Verknüpfung zu setzen, genommen und so der Begriff einer Ursache | ||||||
18 | erschlichen und nicht rechtmäßig erworben ist, ja auch niemals erworben | ||||||
19 | oder beglaubigt werden kann, weil er eine an sich nichtige, chimärische, | ||||||
20 | vor keiner Vernunft haltbare Verknüpfung fordert, der gar kein | ||||||
21 | Object jemals correspondiren kann. - So ward nun zuerst in Ansehung | ||||||
22 | alles Erkenntnisses, das die Existenz der Dinge betrifft (die Mathematik | ||||||
23 | blieb also davon noch ausgenommen), der Empirismus als die einzige | ||||||
24 | Quelle der Principien eingeführt, mit ihm aber zugleich der härteste | ||||||
25 | Scepticism selbst in Ansehung der ganzen Naturwissenschaft (als Philosophie). | ||||||
26 | Denn wir können nach solchen Grundsätzen niemals aus gegebenen | ||||||
27 | Bestimmungen der Dinge ihrer Existenz nach auf eine Folge schließen | ||||||
28 | (denn dazu würde der Begriff einer Ursache, der die Nothwendigkeit einer | ||||||
29 | solchen Verknüpfung enthält, erfordert werden), sondern nur nach der | ||||||
30 | Regel der Einbildungskraft ähnliche Fälle wie sonst erwarten, welche Erwartung | ||||||
31 | aber niemals sicher ist, sie mag auch noch so oft eingetroffen sein. Ja | ||||||
32 | bei keiner Begebenheit könnte man sagen: es müsse etwas vor ihr vorhergegangen | ||||||
33 | sein, worauf sie nothwendig folgte, d. i. sie müsse eine Ursache | ||||||
34 | haben, und also, wenn man auch noch so öftere Fälle kennte, wo dergleichen | ||||||
35 | vorherging, so daß eine Regel davon abgezogen werden konnte, so könnte | ||||||
36 | man darum es nicht als immer und nothwendig sich auf die Art zutragend | ||||||
37 | annehmen, und so müsse man dem blinden Zufalle, bei welchem aller Vernunftgebrauch | ||||||
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