Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 015

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
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Einleitung.

     
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Von der Idee einer Kritik der praktischen Vernunft.

     
           
  03 Der theoretische Gebrauch der Vernunft beschäftigte sich mit Gegenständen      
  04 des bloßen Erkenntnißvermögens, und eine Kritik derselben in      
  05 Absicht auf diesen Gebrauch betraf eigentlich nur das reine Erkenntnißvermögen,      
  06 weil dieses Verdacht erregte, der sich auch hernach bestätigte,      
  07 daß es sich leichtlich über seine Grenzen unter unerreichbare Gegenstände,      
  08 oder gar einander widerstreitende Begriffe verlöre. Mit dem praktischen      
  09 Gebrauche der Vernunft verhält es sich schon anders. In diesem beschäftigt      
  10 sich die Vernunft mit Bestimmungsgründen des Willens, welcher ein      
  11 Vermögen ist, den Vorstellungen entsprechende Gegenstände entweder hervorzubringen,      
  12 oder doch sich selbst zu Bewirkung derselben (das physische      
  13 Vermögen mag nun hinreichend sein, oder nicht), d. i. seine Causalität,      
  14 zu bestimmen. Denn da kann wenigstens die Vernunft zur Willensbestimmung      
  15 gelangen und hat so fern immer objective Realität, als es nur      
  16 auf das Wollen ankommt. Hier ist also die erste Frage: ob reine Vernunft      
  17 zur Bestimmung des Willens für sich allein zulange, oder ob sie nur      
  18 als empirisch=bedingte ein Bestimmungsgrund derselben sein könne. Nun      
  19 tritt hier ein durch die Kritik der reinen Vernunft gerechtfertigter, obzwar      
  20 keiner empirischen Darstellung fähiger Begriff der Causalität, nämlich      
  21 der der Freiheit, ein, und wenn wir anjetzt Gründe ausfindig machen      
  22 können, zu beweisen, daß diese Eigenschaft dem menschlichen Willen (und      
  23 so auch dem Willen aller vernünftigen Wesen) in der That zukomme, so      
  24 wird dadurch nicht allein dargethan, daß reine Vernunft praktisch sein      
  25 könne, sondern daß sie allein und nicht die empirisch=beschränkte unbedingterweise      
  26 praktisch sei. Folglich werden wir nicht eine Kritik der reinen      
  27 praktischen, sondern nur der praktischen Vernunft überhaupt zu bearbeiten      
           
     

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