Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 495

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 allen drei Fällen nur vermittelst der Bewegung des Raums, die mit einer der      
  02 zwei gegebenen Bewegungen congruirt, und dadurch beide mit der zusammengesetzten      
  03 congruiren, möglich ist.      
           
  04
Anmerkung 3.
     
           
  05 Phoronomie, nicht als reine Bewegungslehre, sondern blos als reine Größenlehre      
  06 der Bewegung, in welcher die Materie nach keiner Eigenschaft mehr als      
  07 der bloßen Beweglichkeit gedacht wird, enthält also nichts mehr als blos diesen      
  08 einzigen, durch die angeführte drei Fälle geführten Lehrsatz von der Zusammensetzung      
  09 der Bewegung und zwar von der Möglichkeit der geradlinichten Bewegung      
  10 allein, nicht der krummlinichten. Denn weil in dieser die Bewegung continuirlich      
  11 (der Richtung nach) verändert wird, so muß eine Ursache dieser Veränderung,      
  12 welche nun nicht der bloße Raum sein kann, herbeigezogen werden. Da      
  13 man aber gewöhnlich unter der Benennung der zusammengesetzten Bewegung      
  14 nur den einzigen Fall, da die Richtungen derselben einen Winkel einschließen,      
  15 verstand, dadurch ward zwar wohl eben nicht der Physik, wohl aber dem Princip      
  16 der Eintheilung einer reinen philosophischen Wissenschaft überhaupt einiger Abbruch      
  17 getan. Denn was die erstere betrifft, so lassen sich alle im obigen Lehrsatze      
  18 behandelte drei Fälle im dritten allein hinreichend darstellen. Denn wenn der      
  19 Winkel, den die zwei gegebenen Bewegungen einschließen, als unendlich klein gedacht      
  20 wird, so enthält er den ersten; wird er aber als von einer einzigen geraden      
  21 Linie nur unendlich wenig unterschieden vorgestellt, so enthält er den zweiten Fall,      
  22 so daß sich freilich in dem bekannten Lehrsatze der zusammengesetzten Bewegung      
  23 alle drei von uns genannte Fälle als in einer allgemeinen Formel geben lassen.      
  24 Man konnte aber auf diese Art nicht wohl die Größenlehre der Bewegung nach      
  25 ihren Theilen a priori einsehen lernen, welches in mancher Absicht auch seinen      
  26 Nutzen hat.      
           
  27 Hat jemand Lust die gedachten drei Theile des allgemeinen phoronomischen      
  28 Lehrsatzes an das Schema der Eintheilung aller reinen Verstandesbegriffe, namentlich      
  29 hier der des Begriffs der Größe zu halten, so wird er bemerken: daß, da      
  30 der Begriff einer Größe jederzeit den der Zusammensetzung des gleichartigen      
  31 enthält, die Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen zugleich die reine Größenlehre      
  32 derselben sei und zwar nach allen drei Momenten, die der Raum an die      
  33 Hand giebt, der Einheit der Linie und Richtung, der Vielheit der Richtungen      
  34 in einer und derselben Linie, endlich der Allheit der Richtungen sowohl als der      
  35 Linien, nach denen die Bewegung geschehen mag, welches die Bestimmung aller      
  36 möglichen Bewegung als eines Quantum enthält, wiewohl die Quantität derselben      
  37 (an einem beweglichen Punkte) blos in der Geschwindigkeit besteht. Diese      
  38 Bemerkung hat nur in der Transscendentalphilosophie ihren Nutzen.      
           
           
     

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