Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 486 |
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Text (Kant):
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| 01 | aufgehört hatte und die von B nach A noch nicht war, folglich daß in B ein | ||||||
| 02 | Mangel aller Bewegung und nach der gewöhnlichen Erklärung Ruhe müßte angenommen | ||||||
| 03 | werden, aber man durfte sie doch nicht annehmen, weil bei einer gegebenen | ||||||
| 04 | Geschwindigkeit kein Körper in einem Punkte seiner gleichförmigen Bewegung | ||||||
| 05 | als ruhend gedacht werden muß. Worauf beruht denn im zweiten Falle | ||||||
| 06 | die Anmaßung des Begriffs der Ruhe, da doch dieses Steigen und Fallen gleichfalls | ||||||
| 07 | nur durch einen Augenblick von einander getrennt wird? Der Grund davon | ||||||
| 08 | liegt darin, daß die letztere Bewegung nicht als gleichförmig mit gegebener Geschwindigkeit | ||||||
| 09 | gedacht wird, sondern zuerst als gleichförmig verzögert und hernach | ||||||
| 10 | als gleichförmig beschleunigt, so doch, daß die Geschwindigkeit im Punkte B nicht | ||||||
| 11 | gänzlich, sondern nur bis zu einem Grad verzögert werde, der kleiner ist als jede | ||||||
| 12 | nur anzugebende Geschwindigkeit, mit welcher, wenn, anstatt zurück zu fallen, die | ||||||
| 13 | Linie seines Falles BA in die Richtung Ba gestellt, mithin der Körper immer noch | ||||||
| 14 | als steigend betrachtet würde, er als mit einem bloßen Moment der Geschwindigkeit | ||||||
| 15 | (der Widerstand der Schwere wird alsdann bei Seite gesetzt) in jeder noch so | ||||||
| 16 | großen anzugebenden Zeit gleichförmig doch nur einen Raum, der kleiner ist als | ||||||
| 17 | jeder anzugebende Raum, zurücklegen, mithin seinen Ort (für irgend eine mögliche | ||||||
| 18 | Erfahrung) in alle Ewigkeit gar nicht verändern würde. Folglich wird er in den | ||||||
| 19 | Zustand einer daurenden Gegenwart an demselben Orte, d. i. der Ruhe, versetzt, | ||||||
| 20 | ob sie gleich wegen der continuirlichen Einwirkung der Schwere, d. i. der Veränderung | ||||||
| 21 | dieses Zustandes, sofort aufgehoben wird. In einem beharrlichen Zustande | ||||||
| 22 | sein und darin beharren (wenn nichts anderes ihn verrückt) sind zwei | ||||||
| 23 | verschiedene Begriffe, deren einer dem anderen keinen Abbruch thut. Also kann die | ||||||
| 24 | Ruhe nicht durch den Mangel der Bewegung, der sich als =0 gar nicht construiren | ||||||
| 25 | läßt, sondern muß durch die beharrliche Gegenwart an demselben Orte | ||||||
| 26 | erklärt werden, da denn dieser Begriff auch durch die Vorstellung einer Bewegung | ||||||
| 27 | mit unendlich kleiner Geschwindigkeit eine endliche Zeit hindurch construirt, | ||||||
| 28 | mithin zu nachheriger Anwendung der Mathematik auf Naturwissenschaft genutzt | ||||||
| 29 | werden kann. | ||||||
| 30 | Erklärung 4. |
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| 31 | Den Begriff einer zusammengesetzten Bewegung construiren | ||||||
| 32 | heißt eine Bewegung, so fern sie aus zwei oder mehreren | ||||||
| 33 | gegebenen in einem Beweglichen vereinigt entspringt, a priori in | ||||||
| 34 | der Anschauung darstellen. | ||||||
| 35 | Anmerkung. |
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| 36 | Zur Construction der Begriffe wird erfordert: daß die Bedingung ihrer Darstellung | ||||||
| 37 | nicht von der Erfahrung entlehnt sei, also auch nicht gewisse Kräfte voraussetze, | ||||||
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