| Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 447 | |||||||
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| 01 | des Willens sonst sein als Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, | ||||||
| 02 | sich selbst ein Gesetz zu sein? Der Satz aber: der Wille ist in allen | ||||||
| 03 | Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das Princip, nach keiner | ||||||
| 04 | anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein allgemeines | ||||||
| 05 | Gesetz zum Gegenstande haben kann. Dies ist aber gerade die Formel des | ||||||
| 06 | kategorischen Imperativs und das Princip der Sittlichkeit: also ist ein | ||||||
| 07 | freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei. | ||||||
| 08 | Wenn also Freiheit des Willens vorausgesetzt wird, so folgt die Sittlichkeit | ||||||
| 09 | sammt ihrem Princip daraus durch bloße Zergliederung ihres Begriffs. | ||||||
| 10 | Indessen ist das letztere doch immer ein synthetischer Satz: ein | ||||||
| 11 | schlechterdings guter Wille ist derjenige, dessen Maxime jederzeit sich selbst, | ||||||
| 12 | als allgemeines Gesetz betrachtet, in sich enthalten kann, denn durch Zergliederung | ||||||
| 13 | des Begriffs von einem schlechthin guten Willen kann jene | ||||||
| 14 | Eigenschaft der Maxime nicht gefunden werden. Solche synthetische Sätze | ||||||
| 15 | sind aber nur dadurch möglich, daß beide Erkenntnisse durch die Verknüpfung | ||||||
| 16 | mit einem dritten, darin sie beiderseits anzutreffen sind, unter einander | ||||||
| 17 | verbunden werden. Der positive Begriff der Freiheit schafft dieses | ||||||
| 18 | dritte, welches nicht wie bei den physischen Ursachen die Natur der Sinnenwelt | ||||||
| 19 | sein kann (in deren Begriff die Begriffe von etwas als Ursache in | ||||||
| 20 | Verhältniß auf etwas anderes als Wirkung zusammenkommen). Was | ||||||
| 21 | dieses dritte sei, worauf uns die Freiheit weiset, und von dem wir a priori | ||||||
| 22 | eine Idee haben, läßt sich hier sofort noch nicht anzeigen und die Deduction | ||||||
| 23 | des Begriffs der Freiheit aus der reinen praktischen Vernunft, mit | ||||||
| 24 | ihr auch die Möglichkeit eines kategorischen Imperativs begreiflich machen, | ||||||
| 25 | sondern bedarf noch einiger Vorbereitung. | ||||||
| 26 | Freiheit muß als Eigenschaft des Willens aller | ||||||
| 27 | vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden. | ||||||
| 28 | Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus welchem | ||||||
| 29 | Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen vernünftigen | ||||||
| 30 | Wesen beizulegen hinreichenden Grund haben. Denn da Sittlichkeit | ||||||
| 31 | für uns bloß als vernünftige Wesen zum Gesetze dient, so | ||||||
| 32 | muß sie auch für alle vernünftige Wesen gelten, und da sie lediglich aus | ||||||
| 33 | der Eigenschaft der Freiheit abgeleitet werden muß, so muß auch Freiheit | ||||||
| 34 | als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen bewiesen werden, | ||||||
| 35 | und es ist nicht genug, sie aus gewissen vermeintlichen Erfahrungen | ||||||
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