Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 383 |
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01 | Ausflüchte und Beschönigung die Sophisterei und durch die Leichtigkeit, | ||||||
02 | über die schwersten Aufgaben mit ein wenig Schulweisheit wegzukommen, | ||||||
03 | die Seichtigkeit begünstigte, welche desto verführerischer ist, je mehr sie | ||||||
04 | einerseits etwas von der Sprache der Wissenschaft, andererseits von der | ||||||
05 | Popularität anzunehmen die Wahl hat und dadurch allen alles, in der | ||||||
06 | That aber überall nichts ist. Durch Kritik dagegen wird unserem Urtheil | ||||||
07 | der Maßstab zugetheilt, wodurch Wissen von Scheinwissen mit Sicherheit | ||||||
08 | unterschieden werden kann, und diese gründet dadurch, daß sie in der Metaphysik | ||||||
09 | in ihre volle Ausübung gebracht wird, eine Denkungsart, die | ||||||
10 | ihren wohlthätigen Einfluß nachher auf jeden andern Vernunftgebrauch | ||||||
11 | erstreckt und zuerst den wahren philosophischen Geist einflößt. Aber auch | ||||||
12 | der Dienst, den sie der Theologie leistet, indem sie solche von dem Urtheil | ||||||
13 | der dogmatischen Speculation unabhängig macht und sie eben dadurch | ||||||
14 | wider alle Angriffe solcher Gegner völlig in Sicherheit stellt, ist gewiß nicht | ||||||
15 | gering zu schätzen. Denn gemeine Metaphysik, ob sie gleich jener viel Vorschub | ||||||
16 | verhieß, konnte doch dieses Versprechen nachher nicht erfüllen und | ||||||
17 | hatte noch überdem dadurch, daß sie speculative Dogmatik zu ihrem Beistand | ||||||
18 | aufgeboten, nichts anders gethan, als Feinde wider sich selbst zu | ||||||
19 | bewaffnen. Schwärmerei, die in einem aufgeklärten Zeitalter nicht aufkommen | ||||||
20 | kann, als nur wenn sie sich hinter einer Schulmetaphysik verbirgt, | ||||||
21 | unter deren Schutz sie es wagen darf, gleichsam mit Vernunft zu rasen, | ||||||
22 | wird durch kritische Philosophie aus diesem ihrem letzten Schlupfwinkel | ||||||
23 | vertrieben, und über das alles kann es doch einem Lehrer der Metaphysik | ||||||
24 | nicht anders als wichtig sein, einmal mit allgemeiner Beistimmung sagen | ||||||
25 | zu können, daß, was er vorträgt, nun endlich auch Wissenschaft sei, und | ||||||
26 | dadurch dem gemeinen Wesen wirklicher Nutzen geleistet werde. | ||||||
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