Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 328 |
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01 | einschränkt, erfüllt nicht ihre eigene ganze Bestimmung. Jede einzelne Erfahrung | ||||||
02 | ist nur ein Theil von der ganzen Sphäre ihres Gebietes, das absolute | ||||||
03 | Ganze aller möglichen Erfahrung ist aber selbst keine Erfahrung | ||||||
04 | und dennoch ein nothwendiges Problem für die Vernunft, zu | ||||||
05 | dessen bloßer Vorstellung sie ganz anderer Begriffe nöthig hat, als jener | ||||||
06 | reinen Verstandesbegriffe, deren Gebrauch nur immanent ist, d. i. auf | ||||||
07 | Erfahrung geht, so weit sie gegeben werden kann, indessen daß Vernunftbegriffe | ||||||
08 | auf die Vollständigkeit, d. i. die collective Einheit der ganzen | ||||||
09 | möglichen Erfahrung, und dadurch über jede gegebne Erfahrung hinausgehen | ||||||
10 | und transscendent werden. | ||||||
11 | So wie also der Verstand der Kategorien zur Erfahrung bedurfte, | ||||||
12 | so enthält die Vernunft in sich den Grund zu Ideen, worunter ich nothwendige | ||||||
13 | Begriffe verstehe, deren Gegenstand gleichwohl in keiner Erfahrung | ||||||
14 | gegeben werden kann. Die letztern sind eben sowohl in der Natur | ||||||
15 | der Vernunft, als die erstere in der Natur des Verstandes gelegen, und | ||||||
16 | wenn jene einen Schein bei sich führen, der leicht verleiten kann, so ist | ||||||
17 | dieser Schein unvermeidlich, obzwar, "daß er nicht verführe," gar wohl verhütet | ||||||
18 | werden kann. | ||||||
19 | Da aller Schein darin besteht, daß der subjective Grund des Urtheils | ||||||
20 | für objectiv gehalten wird, so wird ein Selbsterkenntniß der reinen Vernunft | ||||||
21 | in ihrem transscendenten (überschwenglichen) Gebrauch das einzige | ||||||
22 | Verwahrungsmittel gegen die Verirrungen sein, in welche die Vernunft | ||||||
23 | geräth, wenn sie ihre Bestimmung mißdeutet und dasjenige transscendenter | ||||||
24 | Weise aufs Object an sich selbst bezieht, was nur ihr eigenes Subject | ||||||
25 | und die Leitung desselben in allem immanentem Gebrauche angeht. | ||||||
26 | § 41. |
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27 | Die Unterscheidung der Ideen, d. i. der reinen Vernunftbegriffe, | ||||||
28 | von den Kategorien oder reinen Verstandesbegriffen, als Erkenntnissen | ||||||
29 | von ganz verschiedener Art, Ursprung und Gebrauch, ist ein so wichtiges | ||||||
30 | Stück zur Grundlegung einer Wissenschaft, welche das System aller dieser | ||||||
31 | Erkenntnisse a priori enthalten soll, daß ohne eine solche Absonderung | ||||||
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