Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 296 |
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| 01 | sind, gar nicht entschieden werden könnte. Was nicht ein | ||||||
| 02 | Gegenstand der Erfahrung sein kann, dessen Erkenntniß wäre hyperphysisch, | ||||||
| 03 | und mit dergleichen haben wir hier gar nicht zu thun, sondern mit der | ||||||
| 04 | Naturerkenntniß, deren Realität durch Erfahrung bestätigt werden kann, | ||||||
| 05 | ob sie gleich a priori möglich ist und vor aller Erfahrung hervorgeht. | ||||||
| 06 | § 17. |
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| 07 | Das Formale der Natur in dieser engern Bedeutung ist also die | ||||||
| 08 | Gesetzmäßigkeit aller Gegenstände der Erfahrung und, sofern sie a priori | ||||||
| 09 | erkannt wird, die nothwendige Gesetzmäßigkeit derselben. Es ist aber | ||||||
| 10 | eben dargethan: daß die Gesetze der Natur an Gegenständen, so fern sie | ||||||
| 11 | nicht in Beziehung auf mögliche Erfahrung, sondern als Dinge an sich | ||||||
| 12 | selbst betrachtet werden, niemals a priori können erkannt werden. Wir | ||||||
| 13 | haben es aber hier auch nicht mit Dingen an sich selbst (dieser ihre Eigenschaften | ||||||
| 14 | lassen wir dahin gestellt sein), sondern blos mit Dingen als | ||||||
| 15 | Gegenständen einer möglichen Erfahrung zu thun, und der Inbegriff derselben | ||||||
| 16 | ist es eigentlich, was wir hier Natur nennen. Und nun frage ich, | ||||||
| 17 | ob, wenn von der Möglichkeit einer Naturerkenntniß a priori die Rede ist, | ||||||
| 18 | es besser sei, die Aufgabe so einzurichten: wie ist die nothwendige Gesetzmäßigkeit | ||||||
| 19 | der Dinge als Gegenstände der Erfahrung, oder: wie ist die | ||||||
| 20 | nothwendige Gesetzmäßigkeit der Erfahrung selbst in Ansehung aller | ||||||
| 21 | ihrer Gegenstände überhaupt a priori zu erkennen möglich? | ||||||
| 22 | Beim Lichte besehen, wird die Auflösung der Frage, sie mag auf die | ||||||
| 23 | eine oder die andre Art vorgestellt sein, in Ansehung der reinen Naturerkenntniß | ||||||
| 24 | (die eigentlich den Punkt der Quästion ausmacht) ganz und gar | ||||||
| 25 | auf einerlei hinauslaufen. Denn die subjectiven Gesetze, unter denen | ||||||
| 26 | allein eine Erfahrungserkenntniß von Dingen möglich ist, gelten auch von | ||||||
| 27 | diesen Dingen als Gegenständen einer möglichen Erfahrung (freilich aber | ||||||
| 28 | nicht von ihnen als Dingen an sich selbst, dergleichen aber hier auch in | ||||||
| 29 | keine Betrachtung kommen). Es ist gänzlich einerlei, ob ich sage: ohne | ||||||
| 30 | das Gesetz, daß, wenn eine Begebenheit wahrgenommen wird, sie jederzeit | ||||||
| 31 | auf etwas, was vorhergeht, bezogen werde, worauf sie nach einer allgemeinen | ||||||
| 32 | Regel folgt, kann niemals ein Wahrnehmungsurtheil für Erfahrung | ||||||
| 33 | gelten; oder ob ich mich so Ausdrücke: alles, wovon die Erfahrung | ||||||
| 34 | lehrt, daß es geschieht, muß eine Ursache haben. | ||||||
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