Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 206 |
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01 | eben derselben Sprache genau anpaßt, und dessen Verlust oder, welches | ||||||
02 | eben so viel ist, sein schwankender Gebrauch daher auch den Verlust des | ||||||
03 | Begriffs selbst nach sich ziehen muß und zwar eines Begriffs, der, weil er | ||||||
04 | die Vernunft gar sehr beschäftigt, ohne großen Nachtheil aller transscendentalen | ||||||
05 | Beurtheilungen nicht entbehrt werden kann. Das Wort absolut | ||||||
06 | wird jetzt öfters gebraucht, um blos anzuzeigen: daß etwas von einer | ||||||
07 | Sache an sich selbst betrachtet und also innerlich gelte. In dieser Bedeutung | ||||||
08 | würde absolut möglich das bedeuten, was an sich selbst ( interne ) | ||||||
09 | möglich ist, welches in der Tat das wenigste ist, was man von | ||||||
10 | einem Gegenstande sagen kann. Dagegen wird es auch bisweilen gebraucht, | ||||||
11 | um anzuzeigen, daß etwas in aller Beziehung (uneingeschränkt) gültig | ||||||
12 | ist (z. B. die absolute Herrschaft); und absolut möglich würde in dieser | ||||||
13 | Bedeutung dasjenige bedeuten, was in aller Absicht, in aller Beziehung | ||||||
14 | möglich ist, welches wiederum das meiste ist, was ich über die | ||||||
15 | Möglichkeit eines Dinges sagen kann. Nun treffen zwar diese Bedeutungen | ||||||
16 | mannigmal zusammen. So ist z. E., was innerlich unmöglich ist, | ||||||
17 | auch in aller Beziehung, mithin absolut unmöglich. Aber in den meisten | ||||||
18 | Fällen sind sie unendlich weit auseinander, und ich kann auf keine Weise | ||||||
19 | schließen, daß, weil etwas an sich selbst möglich ist, es darum auch in | ||||||
20 | aller Beziehung, mithin absolut möglich sei. Ja von der absoluten Nothwendigkeit | ||||||
21 | werde ich in der Folge zeigen, daß sie keinesweges in allen Fällen | ||||||
22 | von der innern abhänge und also mit dieser nicht als gleichbedeutend angesehen | ||||||
23 | werden müsse. Dessen Gegentheil innerlich unmöglich ist, dessen | ||||||
24 | Gegentheil ist freilich auch in aller Absicht unmöglich, mithin ist es selbst | ||||||
25 | absolut nothwendig; aber ich kann nicht umgekehrt schließen: was absolut | ||||||
26 | nothwendig ist, dessen Gegentheil ist innerlich unmöglich, d. i. die absolute | ||||||
27 | Nothwendigkeit der Dinge ist eine innere Nothwendigkeit; denn | ||||||
28 | diese innere Nothwendigkeit ist in gewissen Fällen ein ganz leerer Ausdruck, | ||||||
29 | mit welchem wir nicht den mindesten Begriff verbinden können: dagegen | ||||||
30 | der von der Nothwendigkeit eines Dinges in aller Beziehung (auf alles | ||||||
31 | Mögliche) ganz besondere Bestimmungen bei sich führt. Weil nun der Verlust | ||||||
32 | eines Begriffs von großer Anwendung in der speculativen Weltweisheit | ||||||
33 | dem Philosophen niemals gleichgültig sein kann, so hoffe ich, es werde | ||||||
34 | ihm die Bestimmung und sorgfältige Aufbewahrung des Ausdrucks, an | ||||||
35 | dem der Begriff hängt, auch nicht gleichgültig sein. | ||||||
36 | In dieser erweiterten Bedeutung werde ich mich denn des Worts absolut | ||||||
37 | bedienen und es dem blos comparativ oder in besonderer Rücksicht | ||||||
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