| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 168 | |||||||
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| 01 | Zusammenhange der Erscheinungen müssen vorgestellt werden und nicht | ||||||
| 02 | nach dem, was sie außer der Beziehung auf mögliche Erfahrung und folglich | ||||||
| 03 | auf Sinne überhaupt, mithin als Gegenstände des reinen Verstandes sein | ||||||
| 04 | mögen. Denn dieses wird uns immer unbekannt bleiben, so gar, daß es | ||||||
| 05 | auch unbekannt bleibt, ob eine solche transscendentale (außerordentliche) | ||||||
| 06 | Erkenntniß überall möglich sei, zum wenigsten als eine solche, die unter | ||||||
| 07 | unseren gewöhnlichen Kategorien steht. Verstand und Sinnlichkeit | ||||||
| 08 | können bei uns nur in Verbindung Gegenstände bestimmen. Wenn | ||||||
| 09 | wir sie trennen, so haben wir Anschauungen ohne Begriffe oder Begriffe | ||||||
| 10 | ohne Anschauungen, in beiden Fällen aber Vorstellungen, die wir auf | ||||||
| 11 | keinen bestimmten Gegenstand beziehen können. | ||||||
| 12 | Wenn jemand noch Bedenken trägt, auf alle diese Erörterungen dem | ||||||
| 13 | blos transscendentalen Gebrauche der Kategorien zu entsagen, so mache | ||||||
| 14 | er einen Versuch von ihnen in irgend einer synthetischen Behauptung. | ||||||
| 15 | Denn eine analytische bringt den Verstand nicht weiter, und da er nur | ||||||
| 16 | mit dem beschäftigt ist, was in dem Begriffe schon gedacht wird, so läßt | ||||||
| 17 | er es unausgemacht, ob dieser an sich selbst auf Gegenstände Beziehung | ||||||
| 18 | habe, oder nur die Einheit des Denkens überhaupt bedeute (welche von | ||||||
| 19 | der Art, wie ein Gegenstand gegeben werden mag, völlig abstrahirt); es | ||||||
| 20 | ist ihm genug zu wissen, was in seinem Begriffe liegt, worauf der Begriff | ||||||
| 21 | selber gehen möge, ist ihm gleichgültig. Er versuche es demnach mit irgend | ||||||
| 22 | einem synthetischen und vermeintlich transscendentalen Grundsatze als: | ||||||
| 23 | alles, was da ist, existirt als Substanz oder eine derselben anhängende | ||||||
| 24 | Bestimmung; alles Zufällige existirt als Wirkung eines andern Dinges, | ||||||
| 25 | nämlich seiner Ursache, u.s.w. Nun frage ich: woher will er diese synthetische | ||||||
| 26 | Sätze nehmen, da die Begriffe nicht beziehungsweise auf mögliche | ||||||
| 27 | Erfahrung, sondern von Dingen an sich selbst (Noumena) gelten sollen? | ||||||
| 28 | Wo ist hier das Dritte, welches jederzeit zu einem synthetischen Satze erfordert | ||||||
| 29 | wird, um in demselben Begriffe, die gar keine logische (analytische) | ||||||
| 30 | Verwandtschaft haben, mit einander zu verknüpfen? Er wird seinen Satz | ||||||
| 31 | niemals beweisen, ja was noch mehr ist, sich nicht einmal wegen der Möglichkeit | ||||||
| 32 | einer solchen reinen Behauptung rechtfertigen können, ohne auf den | ||||||
| 33 | empirischen Verstandesgebrauch Rücksicht zu nehmen und dadurch dem | ||||||
| 34 | reinen und sinnenfreien Urtheile völlig zu entsagen. So ist denn der Begriff | ||||||
| 35 | reiner, blos intelligibeler Gegenstände gänzlich leer von allen Grundsätzen | ||||||
| 36 | ihrer Anwendung, weil man keine Art ersinnen kann, wie sie gegeben | ||||||
| 37 | werden sollten; und der problematische Gedanke, der doch einen Platz für | ||||||
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